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Die Stunde Der Jaeger

Die Stunde Der Jaeger

Titel: Die Stunde Der Jaeger
Autoren: Carrie Vaughn
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menschliche Natur zu bewahren, war diese Lösung doch einfacher.
    Von meiner Hütte aus war Walsenburg in etwa dreißig Meilen Entfernung die nächste nennenswerte Stadt, und das war nicht gerade eine Metropole. Der Ort hatte in den Sechzigern quasi aufgehört zu wachsen. Die Hauptstraße war der State Highway, der durch die Stadt verlief, kurz bevor er in den Interstate Highway mündete. Gesäumt wurde die Hauptstraße von altmodischen Backsteinbauten. Viele hatten noch die ursprünglichen Schilder: Familienbetriebe,
Eisenwarenhandlungen, Bars und dergleichen. Etliche waren mit Brettern vernagelt. Ein Denkmal gegenüber dem Kreisgericht ehrte die Kohlebergleute, die die Gegend ursprünglich besiedelt hatten. Im Südwesten erhoben sich die Spanish Peaks, Zwillingsberge, die mehr als zweitausend Meter über die Ebene emporragten. Um sie herum erstreckte sich viel wilder, einsamer Wald.
    Am folgenden Nachmittag fuhr ich in die Stadt, um mich mit meinem Anwalt Ben O’Farrell in einem Diner am Highway zu treffen. Er weigerte sich, tiefer als bis nach Walsenburg in die Wildnis von Südcolorado zu fahren.
    Ich bemerkte sein Auto, das bereits am Straßenrand parkte, und hielt dahinter an. Ben hatte sich in einer Sitzgruppe in der Nähe der Tür breitgemacht. Er war bereits dabei, einen Hamburger und einen Teller Pommes frites zu vernichten. Ben hielt nicht viel von Förmlichkeiten.
    Â»Hi.« Ich ließ mich auf die Bank ihm gegenüber gleiten.
    Er griff nach etwas neben sich und ließ es dann vor mir auf den Resopaltisch fallen: ein Stapel Post für mich, zu seinen Händen adressiert. Ich versuchte, so viel Schriftverkehr wie möglich über ihn laufen zu lassen. Es war schön, einen Filter zu haben. Teil der Walden -Sache. In dem Stapel befanden sich unter anderem ein paar Zeitschriften, nichtssagende Umschläge, Anmeldeformulare für Kreditkarten. Ich machte mich ans Sortieren.
    Â»Mir geht es gut, danke, wie geht es dir?«, sagte ich sarkastisch. Irgendwann hatte ich aufgehört, meinen Anwalt zu siezen.
    Ben war Anfang dreißig, ein Typ mit Ecken und Kanten. Ständig machte er den Eindruck, mit dem Rasieren
einen Tag hinterher zu sein, und seine hellbraunen Haare waren zerzaust. Er trug ein graues Anzugjackett, doch sein Hemdkragen stand offen, von einer Krawatte keine Spur.
    Er lächelte zwar, ihm war aber anzusehen, dass er insgeheim mit den Zähnen knirschte.
    Â»Bloß weil ich den ganzen Weg hier rausgefahren bin, solltest du nicht von mir verlangen, auch noch freundlich zu sein.«
    Â»Würde mir im Traum nicht einfallen.«
    Ich bestellte bei der Kellnerin Mineralwasser und einen Hamburger, während Ben seine Aktentasche auf den Tisch stellte und Papierstapel hervorzog. Er benötigte an etwa einer Million Stellen meine Unterschrift. Das Gute daran war, dass ich laut dieser Dokumente die Begünstigte etlicher großzügiger außergerichtlicher Vergleiche war, die mit dem Fiasko zusammenhingen, mit dem meine Reise nach Washington, D.C., letzten Herbst geendet hatte. Wer hätte gedacht, dass es so lukrativ sein könnte, entführt und live im Fernsehen zur Schau gestellt zu werden? Außerdem durfte ich zu Protokoll gegebene eidesstattliche Aussagen in zwei Strafprozessen unterschreiben. Das fühlte sich gut an!
    Â»Du kriegst zwanzig Prozent«, sagte ich. »Eigentlich solltest du strahlen.«
    Â»Ich weiß immer noch nicht, ob es die Sache wert ist, die erste Werwolfprominente auf der Welt zu vertreten. Du bekommst sehr eigenartige Anrufe, ist dir das klar?«
    Â»Warum, meinst du, gebe ich den Leuten deine Nummer und nicht meine?«

    Er nahm mir die Stapel wieder ab, überprüfte sie, packte sie zusammen und steckte sie zurück in seine Aktentasche. »Du kannst von Glück sagen, dass ich so ein netter Kerl bin.«
    Â»Mein Held.« Ich stützte das Kinn in die Hände und klimperte mit den Wimpern. Sein prustendes Lachen verriet mir, wie ernst er mich nahm. Mein Grinsen wurde nur noch breiter.
    Â»Noch etwas«, sagte er, während er weiterhin Papiere in seine Tasche stopfte und meinen Blick mied. »Der Verlag hat angerufen. Will wissen, wie es mit dem Buch läuft.«
    Genau genommen hatte ich einen Vertrag. Genau genommen hatte ich einen Abgabetermin. Eigentlich sollte ich mir über solche Dinge keine Sorgen machen müssen, während ich versuchte, meine
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