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Die steinerne Pforte

Die steinerne Pforte

Titel: Die steinerne Pforte
Autoren: Prevost Andre
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nach die Ränge auf den Tribünen füllten. Monk war natürlich doch da, ein einziges unübersehbares Muskelpaket, strotzend vor Angriffslust. Zum Glück bemerkte er Sam nicht, als dieser mit den anderen hereinkam, viel zu sehr damit beschäftigt, sich über einen seiner potenziellen Rivalen, einen großen blonden Schlaks, lustig zu machen. Samuel stellte sich wohlweislich am anderen Ende der Reihe auf und hielt den Blick gesenkt. Aus den Lautsprechern dröhnte knisternd Musik, und der Sprecher erklärte die 27. Judowettkämpfe zwischen Saint-Mary und Fontana für eröffnet. Man erzählte sich, zwischen den beiden Städten hätte seit ihrer Gründung erbitterte Rivalität geherrscht, und die Jugend sei über 150 Jahre lang immer wieder in spektakuläre Schlägereien miteinander geraten, bis sich dann nach dem Zweiten Weltkrieg die Stadtvertreter beider Seiten darauf geeinigt hätten, diese barbarischen Hahnenkämpfe durch friedlichere Veranstaltungen und Nachbarschaftspflege zu ersetzen. Dieser Tradition entsprechend, waren die Judovereine auf die Idee gekommen, allgemeine Wettkämpfe für die 11- bis 13-Jährigen und die 14- bis 16-Jährigen zu veranstalten. Die jeweiligen Sieger wurden als eine Art Bezirksmeister in ihrer Klasse gewürdigt. Im vergangenen Jahr hatte Sam im wahrsten Sinne des Wortes – eine Bauchlandung erlebt, gegen einen schier unbesiegbaren Monk im Sechzehntelfinale, der ihn in der 43. Sekunde wie einen Pfannkuchen auf die Matte geschleudert hatte. Monk, der nur wenige Monate älter war als Sam, hatte in der Kategorie der 11- bis 13-Jährigen den Sieg davongetragen, und er rechnete fest damit, dass ihm dies auch in diesem Jahr bei den 14- bis 16-Jährigen wieder gelingen würde. Wer hätte sich ihm schon in den Weg stellen wollen? Er war zwar wie Sam einer der Jüngsten seiner Altersklasse, aber mit Sicherheit von allen der Kräftigste und auf jeden Fall der Hinterhältigste. Jeder betete nur, nicht gegen ihn antreten zu müssen!
    Samuel ging zu der Matte, auf der sein Eröffnungskampf stattfinden sollte. Er warf einen Blick hinüber zur Nicolas-Gill-Tribüne: Grandma machte ihm ein aufmunterndes Zeichen. Er nahm den roten Gürtel, den der Schiedsrichter ihm reichte, band ihn über seinen eigenen und trat Pete Moret gegenüber, einem seiner Vereinskameraden. Im Laufe der Jahre hatte sich herausgestellt, dass die Mannschaft aus Saint-Mary die weit überlegenere war, woraufhin man schon vor längerer Zeit beschlossen hatte, die Teilnehmer unabhängig von ihrer Herkunft gegeneinander antreten zu lassen. Demnach bestand immer das Risiko, sich früher oder später mit Monk messen zu müssen ...
    »Hajime!«, befahl der Schiedsrichter. – Kämpft!
    Samuel machte zwei Schritte nach vorn und versuchte dabei, den Ärmel oder das Revers von Pete Morets judogi zu fassen. Natürlich bestand die Möglichkeit, sofort einzuknicken, um sich schnell aus dem Turnier zu verabschieden, aber diesen Gefallen wollte er Rudolf nicht tun. Was er dann wohl zu hören bekäme! Außerdem war Pete Moret alles andere als ein Ass, und Meister Yaku wäre eine solche Niederlage wahrscheinlich verdächtig vorgekommen. Also ließ Sam Pete sich abstrampeln, während er versuchte, sein Lieblings-Koshi’ guruma anzubringen, ein sogenanntes Hüftrad. Bei der ersten Gelegenheit warf er ihn um, indem er ihm das Standbein wegsichelte. Pete taumelte auf die Matte, und der Schiedsrichter verkündete:
    »Waza-ari!«
    Waza-ari, die zweitbeste Wertung, damit hatte er bereits 7 Punkte in der Tasche, gar kein schlechter Einstieg.
    Sam machte am Boden sofort mit einem seiner besten Haltegriffe weiter: Er drückte seinen rechten Arm fest auf Petes Nacken, während er ihn mit seinem linken Arm und dem Gewicht seines Körpers am Boden hielt. Er drehte sich einen Moment um die eigene Achse, während sein Opfer unter ihm nach Luft schnappte, und zählte im Geist mit: »22, 23, 24 . . .«
    »Ippon!«, rief der Schiedsrichter.
    Ippon – 10 Punkte –, das war die höchste Wertung, die ihm den Sieg sicherte!
    Samuel und Pete standen auf, zogen ihre Anzüge zurecht und verabschiedeten sich. Der Schiedsrichter deutete mit dem Arm auf Sam, den Sieger dieser Runde. Begeisterter Beifall von Grandma und Grandpa auf den Rängen!
    Als er seine Schuhe anzog, um zurück in den Umkleideraum zu gehen, hörte er Monks süßes Stimmchen direkt hinter sich: »Nicht schlecht, Faulkner. Pete Moret, das ist genau dein Niveau ... Es hätte mir gar nicht gefallen, wenn
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