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Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)

Titel: Die Stalingrad-Protokolle: Sowjetische Augenzeugen berichten aus der Schlacht (German Edition)
Autoren: Jochen Hellbeck
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Unterstände, Bunker, gruben Wasserbecken. An den Leuten fiel nur der Schwung auf, sonst nichts.
    Joffe (Direktor Medizinisches Institut): Das Institut beteiligte sich aktiv an den Verteidigungsmaßnahmen der Stadt. Im Herbst 1941 und im Juli/August 1942 baute das Institut Verteidigungslinien. Hunderte von Studenten mit Professoren und Dozenten an der Spitze errichteten Befestigungen innerhalb und außerhalb der Stadt.
    Tschujanow (1. Sekretär des Parteikomitees, Gebiet Stalingrad): 12. Juli. […] Es wird immer deutlicher, dass in Kürze Kampfhandlungen auf den Annäherungswegen nach Stalingrad stattfinden werden. […]
    19. Juli. Wie üblich saß ich bis zum Morgengrauen, das sich im Sommer früh ankündigt, im Gebietskomitee. Kurz vor drei Uhr nachts wird über die Hochfrequenzverbindung angerufen:
    »Genosse Stalin will mit Ihnen sprechen.«
    »Wollen Sie die Stadt an den Feind ausliefern?«, fragte Stalin wütend. »Warum haben Sie den Militärbezirk nach Astrachan verlegt? Wer hat Ihnen das erlaubt? Antworten Sie!« […]
    J. W. Stalin fragte nach der Situation in der Stadt, erkundigte sich nach der Rüstungsproduktion der Fabriken und gab dann die Direktiven des ZK im Zusammenhang mit der verschärften militärischen Lage wieder. Abschließend sagte er:
    »Stalingrad wird nicht an den Feind ausgeliefert. Sagen Sie das allen weiter.«
    Der Hörer ruht schon lange wieder auf der Gabel, doch ich bin noch immer unter dem Eindruck des Gesprächs. Nach Hause gehen mag ich nicht, es ist auch schon zu spät. Ich stehe am weit geöffneten Fenster, atme die Frische des anbrechenden Morgens und fühle einen riesigen Zustrom von Kraft, denn das Wichtigste ist klar: Die Stadt wird nicht an die Hitlersoldaten ausgeliefert.
    Pixin (Sekretär des Parteikomitees, Stadt Stalingrad): Noch vor dem Heranrücken des Feindes an die Stadt waren in jeder Fabrik Zerstörungsbataillone aus Freiwilligen gebildet worden. In die Zerstörungsbataillone traten die besten Fabrikleute ein, die besten Arbeiter, Kommunisten und Komsomolzen und die besten Parteilosen.
    Der gesamte Militärunterricht ging nach der angestrengten Arbeit in der Produktion vor sich. Es muss gesagt werden, dass diese Fertigkeiten denn auch zur Kriegszeit brauchbar waren, als schwere Stunden für die Stadt anbrachen.
    Tschujanow (1. Sekretär des Parteikomitees, Gebiet Stalingrad): 11. August. Am Morgen kam Iwan Fjodorowitsch Simenkow zu mir und fragte mich erregt:
    »Sollen wir unsere Familien noch lange quälen?«
    Ich begriff, was er meinte.
    »Was schlägst du vor?«
    »Gleich heute die Familien aller Leitungskräfte von Stadt und Gebiet in eine der Sowchosen ans andere Wolgaufer zu schicken. Oder ins Kumys-Sanatorium, das im Palassow-Rajon liegt.«
    Das war keine leichte Frage. Viele Familien waren zwar schon evakuiert, aber die Abreise unserer Angehörigen kann dem Feind trotzdem einen Vorwand für feindliche Propaganda liefern. Doch es gab offenbar keinen anderen Ausweg. Schließlich traf Waleri mit seinen anderthalb Jahren keine Schuld daran, dass sein Vater Sekretär des Gebietskomitees war. Und er begann schon nervös zu stottern. Ich stimmte Simenkows Vorschlag zu. Am Abend fuhren unsere Familien auf dem Schiff nach Srednjaja Achtuba und stiegen dann in Autos, die sie zum Palassow-Rajon brachten.
    Denissowa (Parteisekretärin des Jerman-Bezirks): Vom größten Teil des Parteiaktivs waren die Familien schon vorab weggeschickt worden.
    Simenkow (Sowjetvorsitzender, Gebiet Stalingrad): Einen Teil der Rajons und das Vieh haben wir ans linke Wolgaufer evakuiert, den ganzen Viehbestand der Kolchosen, mit Ausnahme vom Woroschilow- und Kotelnikow-Rajon – da haben wir es nicht geschafft, alles wegzubringen. Das übrige Vieh, aus allen 14 Rajons, die die Deutschen besetzt hatten, wurde über die Wolga geschafft, und zwar Pferde, Büffel, Schafe, Schweine. Vieh, das Arbeitern und Angestellten aus den Kolchosen zur persönlichen Verfügung überlassen worden war, wurde nicht evakuiert. Aus 38 Maschinen- und Traktorenstationen, die sich in den 14 von den Deutschen besetzten Rajons befinden, wurden alle Traktoren bis auf 750 evakuiert (insgesamt gab es 3080 Traktoren). Die Traktoren wurden über die Wolga gebracht, ein Teil von ihnen kam in den Olchow-, den Molotow- und den Nischne-Dobrinski-Rajon. [326]  
    Es war zu Beginn der Getreideernte. Alle 14 Rajons wurden praktisch mitten während der Getreideernte besetzt, und das ganze Getreide blieb dort. Aus
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