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Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Die Stadt der tausend Schatten: Roman (German Edition)
Autoren: Carrie Ryan
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die Insel zu verlassen: mit dem Boot oder über die Brücke. Die Docks und Kais liegen auf der Südostseite, tief im geschützten Bereich der Dunklen Stadt. ZahlreicheTore und Zäune schirmen die Stadt von den Anlegestellen ab. Damit ja kein Schiff die Infektion in die Stadt einschleppen kann, patrouillieren R ekruter mit Hunden, die die Krankheit wittern können.
    Die wenigen Boote, die nach der Massenflucht während der R ebellion der R ekruter noch übrig sind, werden scharf bewacht. Eine Überfahrt zu buchen, ist nahezu unmöglich. Und das bedeutet, wenn ich wirklich weggehe, werde ich zu Fuß gehen müssen, wie alle anderen, die von der Insel wollen. Die einzigen Brücken in die Stadt hinein und hinaus liegen ganz im Norden der Neverlands.
    Nachdem ich eine schlaflose Nacht auf dem Dach meines leerstehenden Gebäudes verbracht und auf die Morgendämmerung gewartet habe, mache ich mich am spätenVormittag auf die R eise. Ich hatte die spärlichen Lichter in denWolkenkratzern am unteren Ende der Insel flackern sehen und versucht die Kraft zu finden, sie hinter mir zu lassen. Elias hat so für unsereWohnung in der Dunklen Stadt gekämpft und die enormen Abgaben für dasVersprechen von Sicherheit mit allen Mitteln zusammengekratzt. Es kommt mir verkehrt vor, das aufzugeben.
    Wenn er nun morgen nach Hause kommt – und ich bin nicht hier?Wenn er jetzt in diesem Augenblick da drüben gleich hinter dem Horizont ist und von mir träumt, während er sich zu mir durchkämpft?
    Aber dann fällt mir diese Frau wieder ein. Wie sie gefallen ist.Wenn ich nur noch ein paarTage zu leben hätte, würde ich sie so verbringen wie sie? Würde ich mich auf ein Dach kauern und warten, dass ein Fremder über mich stolpert?
    Und die Antwort darauf lautet: nein.
    Bis ich die Palisade erreicht habe, ist es schon Nachmittag. Keiner stellt sich mir in denWeg, als ich durch dieTore gehe, die die Dunkle Stadt von den Neverlands trennen. Man interessiert sich nur für die, die in die entgegengesetzte Richtung unterwegs sind, für die, die sich Zugang zur Dunklen Stadt verschaffen wollen. JedenTag gehen Menschen weg.
    Die R eise durch die Neverlands verläuft ohne besondereVorfälle, denn ich halte mich an die viel genutztenWege, in der dahineilenden Menschenmenge bin ich sicher. Straßen voller baufälliger Gebäude umgeben mich. Das Messer fest umklammert, gehe ich an dunklen Gassen voller finstererVerheißungen vorbei, bereit, es mit jedem aufzunehmen, der mir Ärger machen will.
    Als ich am späten Nachmittag an der Brücke ankomme, hat sich schon eine Schlange gebildet. Die Insel zu verlassen ist ein langsamer und manchmal mühsamer Prozess. Niemand schaut mir in die Augen. Niemand sieht mich an oder interessiert sich für mich, die Leute drängeln sich an mir vorbei oder stoßen mich an, als ob ich unsichtbar wäre. Das bleibt auch so, wenn ich mir die Haare ins Gesicht streiche und den Kopf gesenkt halte, als wollte ich den Boden untersuchen.
    Wegen meiner Narben falle ich auf, durch sie bin ich von anderen zu unterscheiden, und ich habe weiß Gott gelernt, dass es besser ist, nicht aufzufallen, ganz besonders seit der R ebellion. Die R ekruter statuieren gern Exempel an Leuten, und ihre Methoden werden mit jedemTag erbarmungsloser und drastischer. Früher diente ihre Grausamkeit dazu, Ordnung zu halten, aber jetzt, wo das Protektorat nicht mehr da ist, um sie unter Kontrolle zu halten, scheint es eher eine Art perversesVergnügen für sie zu sein.
    Ich habe Gerüchte über R ekruter gehört, die Frauen versklaven, die ihnen auffallen, und sich alles nehmen, das ihnen nicht gehört. Es gibt sogar noch schlimmeres Gemunkel: Man redet von Toten, mit denen auf dem Schwarzmarkt gehandelt wird, von Leuten, die verschwinden, gepfählten Köpfen, die überall in der Stadt als Machtbeweis der R ekruter zu sehen sind. Das alles sind Dinge, über die ich nicht weiter nachdenken will, die mich aber von der Notwendigkeit überzeugt haben, Aufsehen um jeden Preis zu vermeiden.
    Um mich herum schlurfen die Leute ängstlich voran. Einige tragen R ucksäcke, ein paar ziehenWagen, auf dem sich Kisten türmen.Von denen halte ich mich möglichst fern, sie werden nur die Aufmerksamkeit der R ekruter auf sich ziehen, die plündern wollen – und es ist niemand da, der sie daran hindert.
    Die Hauptbrücke über den Fluss zwischen den Neverlands und dem Festland wird durch dicke Metallwände in verschiedene Abschnitte geteilt, jede hat zwei Türen: eine für
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