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Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Die Stadt der Heiligen (German Edition)

Titel: Die Stadt der Heiligen (German Edition)
Autoren: Petra Schier
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gesehen. Die hohen Mauern, unterbrochen von unzähligen Fenstern, waren eine eindrucksvolle Zurschaustellung der bürgerlichen Macht und Prunkentfaltung. Doch so mächtig das Rathaus auch wirkte, es stand dennoch im Schatten eines noch viel beeindruckenderen Bauwerks: des Aachener Doms. Jenes Gotteshauses, das schon auf Kaiser Karl den Großen zurückging und in dessen Innerem einige der bedeutendsten und heiligsten Reliquien der Christenheit aufbewahrt wurden.
    Christophorus hatte sich bereits vorgenommen, den Dom am folgenden Tag aufzusuchen. Als Ordensbruder würde es ihm kaum Schwierigkeiten bereiten, einen gesonderten Zugang zu erhalten, insbesondere, wenn er eine seiner wertvollen Geleitschriften vorzeigte.
    Doch zunächst musste er einen sehr viel schwierigeren und bedrückenderen Gang hinter sich bringen. In der Kockerellstraße, wo Aldos Wohnhaus stand, hatte man ihn auf die Frage nach dessen Mutter oder Schwester zum Büchel geschickt, und der Weg führte ihn direkt über den Marktplatz. Er umrundete Buden, Schragentische und offene Garfeuer, zwischen denen Hausfrauen und Handwerker miteinander feilschten, auf der Suche nach der Einmündung, die ihm der Knecht in der Kockerellstraße umständlich beschrieben hatte.
    Als ein dürrer, hochgeschossener und in viel zu großen Kleidern steckender Junge sich an ihm vorbeischieben wollte, hielt Christophorus ihn am Ärmel fest. «He, du! Wo geht es zum Büchel?»
    Der Junge blieb stehen und musterte Christophorus neugierig. Dann rümpfte er enttäuscht die Nase. «Ihr seid Dominikaner, wie? Ein Bettelmönch. Dann könnt Ihr mir wohl nix für die Auskunft bezahlen?» Hoffnungsvoll hielt er trotzdem die Handfläche auf.
    Christophorus verzog amüsiert die Mundwinkel. «Kommt drauf an, ob du mir die richtige Richtung weist, Junge. Oder kennst du den Weg am Ende gar nicht?»
    «Aber sicher weiß ich den Weg zum Büchel», rief der Junge, und seine Stimme kiekste ein wenig. Er befand sich offensichtlich im Stimmbruch. «Ich bin in Aachen geboren und kenne hier jeden Winkel.» Er verbeugte sich leicht. «Milo heiße ich und geleite die Fremden durch die Stadt. Ich weiß, wo die besten Herbergen sind, aber auch, wo man nicht so viel bezahlen muss. Ich kenn die Bader, die Hurenhäuser, die Quellen … Das Dominikanerkloster ist drüben in der St. Jakobstraße.»
    «Das wollte ich aber gar nicht wissen.» Auffordernd blickte Christophorus Milo an.
    Dieser nickte. «Folgt mir, ich zeig Euch den Büchel. Zu wem wollt Ihr denn?»
    Christophorus ging neben Milo her, der ihn am Markt vorbei zu einer Straße führte, die weniger dicht bebaut war als die Gassen in direkter Nähe des Rathauses und des Doms. «Man sagte mir, dass ich die Witwe Schrenger und ihre Tochter im Haus des Schreinbauers Reinold Markwardt finde.»
    «Klar findet Ihr die dort. Die Frau Marysa hat doch letzten November Meister Markwardt geheiratet. Und ihre Mutter besucht sie fast jeden Tag.» Milo grinste. «Ich weiß das, weil mein Freund Jaromir dort Knecht ist. Er erzählt mir immer alles und schenkt mir manchmal ein halbes Brot oder ein Stück kalten Braten. Aber nur, wenn Balbina, die Köchin, es nicht bemerkt. Auch die Frau Marysa ist in Ordnung. Sie hat mir mal einen echten Silberpfennig gegeben, weil ich ihr geholfen habe, ihre Einkäufe zu tragen.» Milo blieb vor einem schmalen, jedoch sehr langgezogenen, einstöckigen Fachwerkhaus stehen, dessen Eingangstür kunstvoll mit Schnitzereien verziert war. Über dem Eingang thronte eine Marienstatue aus Messing. «Hier ist es.»
    Christophorus musterte das Haus eingehend. Aldos Schwester war also inzwischen verheiratet. Aber das hatte er schon vermutet, als man ihn von ihrem Vaterhaus hierherschickte. «Es scheint, als lebe Frau Marysa in wohlhabenden Umständen», sagte er und kramte aus einer versteckten Geldkatze in seinem Ärmel einen Pfennig hervor.
    «Ja doch, die kann sich nicht beklagen.» Milo nickte heftig. «War ja sowieso eine gute Partie, weil ihr Vater, der Meister Schrenger, so ein bekannter Reliquienhändler gewesen ist. Ich glaube, der war richtig reich. Der Meister Markwardt ist nicht so bekannt. Jaromir sagt, er ist kein guter Kaufmann. Aber wohlhabend ist er allemal. Das Haus ist riesig innen drin, und sie haben sogar einen eigenen Laufbrunnen für Trinkwasser!» Bei dieser Vorstellung verdrehte Milo vielsagend die Augen.
    Christophorus drückte ihm das Geldstück in die Hand. «Ich danke dir. Sollte ich wieder einmal einen
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