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Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Die Stachelbeerstraeucher von Saigon

Titel: Die Stachelbeerstraeucher von Saigon
Autoren: Siegfried Zimmerschied
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Broker und jeder Bauernlandrat Bundeskanzler.
    Erwin rief sich als Eventberater aus und erfand jenes legendäre doppelseitig verwendbare Schild, das wie wenig anderes diese Generation definierte.
    Vorne stand » Unsere Stärke ist der Service « und hinten » Komme gleich wieder « .
    In dieser Zeit wurde unter der Führung von Erwin alles digitalisiert.
    Gewichtssensoren in den Schüsseln und geruchsgesteuerte Applauseinspielungen.
    » Doppelnull, die Erlebnistoilette mit Pfiff. «
    Ein Rabattsystem wurde eingeführt.
    Für fünf Toilettenbesuche gab es eine Freikarte für das Nachtevent.
    Independant and free theatre.
    Dann wurde das Häusl zum Theater, in dem Erwins Kinder unter ihren Szenenamen Inzestcosima und Suiciderudl mit dem Geld von der Großmutter und den Klamotten von Susi selbst verfasste Theaterstücke aufführten.
    In Cosimas Stücken wurden Kinder und Jugendliche pausenlos vergewaltigt, und Rudi erzählte, warum er sich jetzt gleich umbringen werde.
    Der Effekt war dem Zitronenlimotrick von Erwin sehr ähnlich.
    Erschütterte Kleinstadtintellektuelle und Deutschlehrer spendeten oft bis zu fünfzig Mark ins Körberl, was bei elf Plätzen nicht wenig war.
    Anschließend war dann Kreuzbergrave, ein Undergroundtreffpunkt für die Söhne und Töchter der Deutschlehrer und Kleinstadtintellektuellen.
    Man suchte lange nach dem kaputtsten DJ , den der Landkreis hergab, damit sich auch ein authentisches Berlingefühl einstellte.
    Und das war » DJ Schasse ej « , der den ganzen Tag nur Schasse ej sagte.
    Totale Schasse, alles Schasse hier ej.
    » DJ Schasse ej « war nach eigenen Angaben ein vielfach vergewaltigter, bulimischer, transsexueller Exministrant aus Wildenranna.
    Das Perverseste auf alle Fälle, das im ganzen Landkreis zu finden war.
    » Theater heute « lag auf.
    Susi las allerdings bereits » Schöner Wohnen « und heiratete dann den Klaus, der bereits Amtsrat war, weil sie der Überzeugung war, dass die afghanische Zottelgraumaus überhaupt nur mit kapitalisierter Menschenkenntnis und Liquidität zu retten sei.
    Sepp machte die Arbeit, putzte die Glasscherben der Raver auf, wischte die Wodkakotze der Literaten auf und fischte die Havannastumpen der Wirtschaftsjunioren aus dem Trinkgeldkörberl.
    Ansonsten Zinsen, Zinsen, Zinsen.
    Und nun ist die Gruppe angekommen in der Gegenwart.
    In der sich alles wiederholt in immer neuen Zeitgeistvarianten.
    Cosima und Rudi geben das Geld aus, das der Erwin nie verdient hat.
    Klaus ist in der Politik und verteilt das Geld, das nie jemand verdient hat, an all jene, die nie etwas verdienen werden.
    Susi hat ihre Bisexualität entdeckt und lebt mit einer Stahlkonzernswitwe in St. Moritz.
    Erwin kommt mit all den neuen Reformen am besten zurecht.
    Er hat eine Ich- AG gegründet, sich selbst entlassen und protestiert zurzeit dagegen.
    Der Sepp kämpft weiter.
    Immer wieder verändert sich das Häusl.
    Er stellt es dem Willküropferfonds für eine soziale Mahnwache zur Verfügung, begleitet schwerste Schicksale wie das des Oberstudiendirektors, dem das Kindergeld gestrichen wurde, und unterstützt die Opfer der neuen Armut, wie anonyme Alkoholikerhilfe für durch väterliche Insolvenz in Not geratene BWL -Studenten.
    Immer neue Varianten.
    Eine öffentliche Bedürfnisanstalt als Sinnbild für eine Zeitgeistgesellschaft.
    Das war die Idee.
    Diese zu diskutieren, dazu kam man gar nicht.
    Bis hinter den Titel reichte die Phantasie der Redakteure nicht.
    Um Gottes willen, hieß es, allein schon der Titel.
    Scheißhaussepp!
    Vielleicht dann ein Wartezimmer beim Psychologen.
    Eine Biographie als Suche nach dem Fehler im Hirnschema.
    Um Gottes willen, Psychiatrie!
    So schallte es durch die Sitzungszimmer.
    Da schaltet ja jeder weg.
    Interessant.
    Manisch depressiv und scheißen.
    Zwei weitere Tabuthemen bei den Unterhaltungsredakteuren.
    Was extrem verwundert.
    Denn da könnten sie nun wirklich mitreden.
    Und immer wieder dieser Satz.
    Und immer wieder dieser Blick.
    Und immer wieder diese Geste nach oben.
    Aber wer ist denn dort?
    Ist da überhaupt jemand?
    Manchmal denke ich, es ist alles nur ein Spiel.
    Ein » Zimmerschied ärgere dich nicht « .
    Die wollen mich nur verarschen.
    Wahrscheinlich ist es tatsächlich so, dass, sollte ich einmal sterben, wider Erwarten in den Himmel kommen, zufällig einen Text dabeihaben und diesen dann dem Herrgott vorlesen, sich alles noch einmal wiederholt.
    Der Herrgott wird mich lange anschauen, grinsen und sagen:
    Zimmerschied,
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