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Die Spur der Hebamme

Titel: Die Spur der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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verschränkte die Arme vor der Brust.
    Nun flammte Zorn in den Gesichtszügen des Kaisers auf. »Was muss ich noch tun, damit du mir deine Treue erweist? Mir, deinem Kaiser?«, fragte er mit ungewohnt schroffer Stimme. »Soll ich etwa vor dir auf die Knie fallen?«
    Diese Äußerung sorgte für helles Aufsehen imSaal, überall begannen Höflinge und Fürsten aufgeregt zu wispern.
    Herzog Heinrich trat einen Schritt vor. »Gib mir Goslar zurück, Vetter. Dann schicke ich dir mein Heer.«
    Totenstille senkte sich über den Saal.
    Das einzige Geräusch war das leise Rascheln von Beatrix’ seidenem Kleid. Die Kaiserin hatte sich zu Friedrich gebeugt und legte ihre Hand beschwichtigend auf seinen Arm. Jede Farbe war aus Friedrichs Gesicht gewichen.
    Der Vorfall war beispiellos, das wusste auch Christian. Hielt sich Heinrich wirklich für so mächtig und unersetzlich, dass er vor dem gesamten Hofstaat einen Kaiser zu erpressen wagte?
    Friedrich Barbarossa hatte dem Löwen bald nach seiner Wahl zum Kaiser die reiche Silberstadt überlassen. Doch nach seiner Unterstützung für Heinrich gegen dessen Widersacher im ganzen Land, darunter auch Otto und seine Brüder, hatte er vor ein paar Jahren die Stadt zurückverlangt. Wenn er ihm jetzt Goslar erneut zusprach, würde er vor seinen sämtlichen Vasallen das Gesicht verlieren. Und Heinrich, noch zusätzlich mit dieser schier unerschöpflichen Silberkammer beschenkt, wäre eine Macht, gegen die niemand im Land mehr ankäme, selbst der Kaiser nicht.
    Friedrich schüttelte Beatrix’ Arm ab und erhob sich.
    Jedermann im Saal hielt den Atem an.
    »Ihr vergesst, vor wem Ihr steht, Herzog!«, verkündeteder Kaiser eiskalt, wobei er vom brüderlichen Du zur formellen Anrede und dem Pluralis Majestatis überging. »Wir, Kaiser von Gottes Gnaden, lassen Uns von Unseren Vasallen keine Bedingungen diktieren. Ihr dürft Euch entfernen, Herzog.«
    Nun war es Heinrich, der erbleichte.
    Noch ehe er etwas sagen oder gehen konnte, zog Friedrich seinen Umhang um sich und stürmte aus dem Saal. Beatrix folgte ihm, nachdem sie einen verächtlichen Blick auf den Löwen geworfen hatte.
     
    Kaum hatte das Kaiserpaar den Raum verlassen, erfüllte lautes Stimmengewirr die Halle. Der Löwe sah sich auf einmal allein, nur sein Truchsess stand noch an seiner Seite. Er warf einen wütenden Blick um sich, dann raffte auch er seinen kostbaren Umhang und stapfte hinaus. Jordan von Blankenburg folgte ihm.
    Markgraf Dietrich ließ sich nicht auf die aufgebrachten Dispute der Umstehenden ein. Er tauschte ein paar Blicke und ein kaum erkennbares Nicken mit einigen der hochrangigen Gäste, dann gab er Christian das Zeichen, ihm in sein Quartier zu folgen.
    Den Pagen schickte er hinaus, um für sich und den Gast einen Imbiss zu besorgen, nachdem der Junge Wein eingeschenkt hatte.
    »Es hätte nicht besser laufen können«, frohlockte Dietrich, während er sich an den Tisch setzte und ein leeres Pergament hervorsuchte. »Heute noch werden Boten ausreiten und im ganzen Land verkünden,der Kaiser sei vor dem Löwen auf die Knie gesunken und der hätte ihm trotzdem die Unterstützung versagt.«
    Der Markgraf blickte nur kurz auf Christians verwundertes Gesicht. »Ich weiß, was Ihr sagen wollt – so war es nicht. Aber wen kümmert das? Wie wollt Ihr den einfachen Leuten sonst klarmachen, was Heinrichs Forderung nach Goslar bedeutet? Der Effekt bleibt der gleiche: Niemand wird nun noch daran zweifeln, dass der Löwe seinen Kaiser gedemütigt und verraten hat und dass das nicht ungestraft bleiben darf.«
    Er griff nach Feder und Tinte und begann zu schreiben. Normalerweise hätte er den Brief diktiert, doch niemand durfte wissen, auf wen das fälschlich verbreitete Gerücht zurückging. Hauptsache, es ließ sich nicht zum Kaiser zurückverfolgen. Und schon gar nicht zur Kaiserin, die diesen Plan gemeinsam mit einigen treuen Verbündeten, darunter auch Dietrich, ersonnen hatte. Friedrich musste in den Augen aller rein wie frisch gefallener Schnee dastehen, als Herrscher, der sich die Dreistigkeit seines undankbaren Vasallen nicht länger bieten lassen durfte.
    Heinrich sollte von nun an im ganzen Land als ruchlos gebrandmarkt sein. Beatrix hatte längst erkannt, welches Spiel der Löwe spielte, welch ungeheure Macht er angehäuft hatte und deshalb zur Bedrohung geworden war. Im Gegensatz zu ihrem Mann vermochte sie dem Braunschweiger schon lange kein Vertrauen mehr entgegenzubringen. Und da sie den Ablauf des
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