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Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)

Titel: Die Sprengmeister und der unheilige Gral: Social Fiction (German Edition)
Autoren: Heiner Wacker
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spontan hervorgerufene Druckumverteilung in seinem Körper kann desaströse Folgen haben.»
    Er drückt Carsten ein Marmeladenglas mit Bier in die Hand, packt ihn am Bund seiner Kakihose und zerrt ihn davon.
    «Heiliger Bimbam, Carsten, wie oft soll ich es dir noch sagen: Lass die Finger von der Stangenfieber. Die ist schärfer als ein japanisches Kochmesser. Wenn die dich erst einmal in den fetten Fängen hat, kommt jede Hilfe zu spät.» Er grinst.
    «Die Todgeweihten grüßen dich, Cäsar.» Carsten hebt das Glas auf Augenhöhe, schlägt die Hacken seiner Gartenschuhe zusammen und stürzt den Inhalt.
    «Revanche?»
    «Auf neunhundertneunundneunzig Beinen kann man nicht stehen, sagte der Tausendfüßler.»
    Horst nimmt das leere Glas und holt Nachschub. Carsten lässt derweil seinen Blick die Runde machen. Der zum Partyraum umfunktionierte Gemeinschaftsbereich von Carstens Wohnumfeld ist locker gefüllt mit alten Freundinnen und Freunden – so sie sich denn noch alleine fortbewegen können. Dem Anlass entsprechend haben sich die Anwesenden in Schale geworfen, aber bei kritischer Betrachtungsweise wirkt das Ganze eher wie ein Lumpenball im Altersheim. Obwohl einige jüngere Anwesende noch sichtlich mit den Spätfolgen der Menopause zu kämpfen haben, liegt der Altersdurchschnitt eher im Bereich achtzig Jahre und darüber. Immerhin – das muss man erst einmal schaffen. Der Stimmung tut das allerdings keinen Abbruch.
    Zwischenzeitlich ist es Horst gelungen, zwei weitere Selbstbauten zu ergattern. Behäbig schwimmt er zurück durch die Menge, um seine Ladung zu löschen. Carsten nimmt ihm sein Glas aus Hand und leckt vorsichtig den Schaum vom Rand.
    «Sag mal, Horst, wann willst du dich eigentlich endlich von diesem albernen Shirt trennen?»
    «Wirst du nicht mehr erleben. Dieses Shirt ist Programm, plus Drohung, plus Versprechen. Außerdem habe ich kein anderes.» Er nimmt ein vorsichtiges Schlückchen.
    «Ich schenk dir eins von meinen.»
    «Da sei Gott vor. Eher renne ich nackt durch die Landschaft.»
    Horst Gerlach hat eine wahrscheinlich betriebsbedingte Neurose in Bezug auf seine Oberbekleidung. Seit Jahren trägt er ausschließlich ein weißes T-Shirt mit einem ausladenden Erste-Hilfe-Kreuz auf Brust und Rücken. Nicht völlig unpassend, wenn man bedenkt, dass er sich – obwohl ursprünglich Tierarzt – um das gesundheitliche Wohlergehen seiner Nachbarschaft kümmert. Mit allerdings wechselndem Erfolg.
    «Ich bin Aid-Man, der Retter der Herzinsuffizienten, das Schweizer Messer des Münsterlandes. Ist egal, wohin du mich schickst, ich werde überall gebraucht.»
    «Du bist ein alter Sack und ein Idiot. Niemand braucht dich. Mich allerdings auch nicht. Und die anderen ebenfalls nicht.»
    «Na ja, heute schon.» Er nippt an seinem Glas.
    «Was ist los mit dir?» Carsten bohrt seinen rechten Zeigefinger in die Mitte des fetten roten Kreuzes auf Horsts Oberkörper und hinterlässt dort einen weiteren Fleck unter vielen. «Warum so ungewohnt zaghaft?»
    «Mein Gott, ich muss noch arbeiten. Schon vergessen, warum wir heute hier sind?»
    «Nun mach mal halb lang. Hier gehts schließlich nicht um eine Kopftransplantation. Das schaffst du notfalls auch im Koma.»
    «Berufsethos, mein Lieber. Das versteht eine alte Gartenhacke wie du möglicherweise nicht. Du kennst doch nur eine Regel: Das Grüne immer nach oben. Bei mir ist das anders. Ich bin eindeutig qualitätsorientiert. Im positiven Sinn.»
    «Gibts Qualitätsorientierung auch im negativen Sinn?»
    «Allerdings. Ich denke da beispielsweise an das Gras, dass du mich ständig zu rauchen nötigst. Das Zeug ist scheußlich. Eine Katastrophe. Obwohl du dir wirklich redlich Mühe gibst, wie ich zugebe. Allerdings ohne Erfolg. Das ist Qualitätsorientierung im negativen Sinn.»
    «Das hör ich ja zum ersten Mal. Du reißt mir das Zeug doch quasi aus dem Beet. Außerdem bist du jedes Mal so zugedröhnt, dass ich dich auf meiner Gästeluftmatratze schlafen lassen muss.»
    «Darum gehts doch nicht. Die Träume sind schlecht. Schlechte Vibrations , wenn du weißt, was ich meine. Man kommt schlecht drauf von dem Zeug. Baut Scheiße im Gehirn. Miststoff.»
    «Gehirn? So was hast du doch gar nicht. Jedenfalls nicht mehr. Bestenfalls ein ganz kleines.»
    «Das ist zumindest immer noch das Doppelte von dem, was du auf die Waage bringst.»
    Das launige Gezeter der beiden alten Säcke hat einige Umstehende angezogen, die dem sinnfreien Dialog amüsiert folgen, ohne allerdings
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