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Die Sphaeren

Die Sphaeren

Titel: Die Sphaeren
Autoren: Iain Banks
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lieber ohne Begleitung, doch den Rat des alten Gelehrten nahm Oramen noch immer gern entgegen, nicht ganz ohne Sentimentalität. Er hatte Rocasse in der Bibliothek zurückgelassen, umgeben von staubigen Schriftrollen, und sich in den runden Raum zurückzogen, wo die Wahrscheinlichkeit dafür, dass man ihn störte, geringer war. Bis jetzt.
    »Oramen!« Renneque sauste herein, stob an Droffo und Fanthile vorbei und warf sich ihm in einem Durcheinander zerrissener Kleidung zu Füßen. »Ich habe es gerade gehört! Es kann nicht wahr sein!« Renneque schlang die Arme um Oramens Füße und drückte sich an ihn. Sie sah hoch, das junge Gesicht tränenüberströmt und voller Kummer, das braune Haar zerzaust. »Bitte sag, dass es nicht wahr ist! Bitte! Nicht beide. Nicht der König und auch Ferbin! Nicht beide. Nicht beide. Bitte nicht!«
    Oramen bückte sich und zog sie sanft hoch, bis sie vor ihm kniete. Ihr Augen waren weit aufgerissen, die Stirn zerfurcht, die Lippen zusammengepresst. Er hatte sie immer für recht attraktiv gehalten und war auf seinen älteren Bruder neidisch
gewesen, doch in diesem Übermaß an Leid wirkte sie fast hässlich. Ihre Hände, des geduldigen Trostes seiner Füße beraubt, umklammerten nun das kleine Welt-Symbol an ihrer dünnen Halskette, drehten es hin und her. Die Filigrane kleinerer Schalen in dem kugelförmigen Gehäuse drehten sich, glitten hin und her, nahmen ständig neue Positionen ein.
    Plötzlich fühlte sich Oramen ziemlich reif, sogar alt. »Ich bitte dich, Renneque«, sagte er, nahm ihre Hand und klopfte darauf. »Wir alle müssen sterben.«
    Das Mädchen jammerte und warf sich wieder zu Boden.
    »Madam«, sagte Fanthile freundlich, aber auch verlegen. Als er sich umdrehte, sah er, wie Mallarh, eine der Hofdamen – ebenfalls in Tränen aufgelöst -, in der Tür erschien. Sie mochte etwa doppelt so alt sein wie Renneque, und in ihrem Gesicht zeigte sich ein Narbenmuster von einer Infektion in ihrer Kindheit. Sie biss sich auf die Lippen, als sie die jüngere Frau weinend auf dem Boden sah. »Bitte«, wandte sich Fanthile an sie und deutete auf Renneque.
    Mallarh brachte Renneque dazu, aufzustehen, dann verließ sie mit ihr den Raum.
    »Nun, Sir …«, begann Fanthile und unterbrach sich, als Harne hereinkam, aktuelle Gemahlin des Königs und Ferbins Mutter: ihre Augen gerötet, das Haar durcheinander, die Kleidung aber nicht zerrissen. Sie hielt sich aufrecht und wirkte gefasst. Fanthile seufzte. »Madam …«
    »Bestätigen Sie es, Fanthile«, sagte Harne. »Stimmt es? Sind sie beide tot? Vater und Sohn?«
    Fanthile sah für einen Moment zu Boden. »Ja, Mylady. Sie sind beide tot. Der König zweifellos, und der Prinz mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.«

    Harne schien ein wenig zu schrumpfen, richtete sich dann langsam wieder auf. Sie nickte und drehte sich halb um, bevor sie den Blick auf Oramen richtete. Er erwiderte ihn und erhob sich langsam.
    Sie hatten beide versucht, es zu verbergen, aber ihre gegenseitige Antipathie war kein Geheimnis im Palast. Bei Oramen basierte sie auf dem Umstand, dass seine Mutter zu Harnes Gunsten verbannt worden war, und bei Harne war Oramens Existenz die Ursache. Trotzdem, er wollte ihr sagen, dass es ihm leidtat. Er wollte ihr sagen (später, wenn er klarer und logischer denken konnte), dass er Anteil nahm an ihrem doppelten Verlust, mit dem für ihn ein ebenso unerwarteter wie unerwünschter Statusgewinn einherging. Er wollte ihr versprechen, dass dies alles keinen Rangverlust für sie bedeutete, weder während der kommenden Regentschaft noch nachdem er den Thron bestiegen hatte. Aber ihr Gesichtsausdruck schien ihm das Sprechen zu verbieten, ihn vielleicht sogar herauszufordern, etwas zu sagen, das sie nicht in irgendeiner Weise anstößig fand.
    Oramen kämpfte einige Sekunden gegen dieses Gefühl an und dachte, dass es besser war, irgendetwas zu sagen, anstatt Harne mit Schweigen zu beleidigen, doch dann gab er es auf. Eine Redensart lautete: Weisheit ist Schweigen. Und so verneigte er sich nur und sagte nichts. Er spürte, wie sie sich umdrehte und ging.
    Oramen sah wieder auf. Zumindest dies war überstanden.
    »Kommen Sie, Sir«, sagte Fanthile und streckte den einen Arm. »Ich reite mit Ihnen.«
    »Kann ich so aufbrechen?«, fragte Oramen. Er war ganz zwanglos gekleidet, in Hose und Hemd.

    »Ziehen Sie einen guten Mantel an, Sir«, schlug Fanthile vor. Oramen fühlte seinen Blick auf sich ruhen, als er zögerte und auf
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