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Die Soldaten

Die Soldaten

Titel: Die Soldaten
Autoren: Tobias O. Meißner
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Wachtposten lachend. »Der Leutnant für die Grünhörner! Wird aber auch Zeit! Wir erwarten Euch schon seit vorgestern. Zieht Euch ein bisschen mehr an, dann könnt Ihr gern reinkommen.«
    Grummelnd stieg der Leutnant vom tänzelnden Pferd und brachte seine Uniform, so gut es ging, in einen zumindest halbwegs präsentablen Zustand. Alles war durchgeschwitzt und stank, aber das konnte einem bei dieser Gluthitze wohl kaum zum Vorwurf gemacht werden. Es war quälend, die Ärmel und Hosenbeine wieder herabrollen zu müssen und dadurch noch mehr in Schweiß zu geraten.
    Ein Schatten fiel über ihn. Er hob den Blick. Dort oben unter der Sonne flog etwas. Kein Wüstengeier. Eher ein Reptil mit langen, schmalen Schwingen. Ein Wesen aus dem unbekannten Land hinter den Bergen, das sich zu weit nach Süden vorgewagt hatte. Nach ein, zwei Kreisbewegungen über der Festung drehte es ab und flog über das Gebirge davon.
    Ein Riegelbalken wurde verschoben. Das große schwarze Tor öffnete sich. Es knarrte nicht. Es war frisch geölt worden, als der Feldzug der Königin sich angekündigt hatte. Aber die Bewegung der beiden von je zwei Soldaten aufgestemmten Torflügel wirbelte Staub auf, der gegen Leutnant Fenna brandete. Durch den Schweiß haftete der Staub an ihm wie Mehl. Die Torsoldaten lachten. »Willkommen in der Festung Carlyr, Leutnant.«
    Der Leutnant durchquerte das Tor, das störrische Pferd am Zügel führend.
    Der Haupthof war kühler als die Straße, wahrscheinlich, weil die Festung zwischen zwei schroffen Klippen eingepasst und deshalb nur zur Mittagszeit der Sonne voll ausgesetzt war. Die Uniformen der hier Dienst tuenden Soldaten wirkten verhältnismäßig gepflegt. In Chlayst hatte der Leutnant – der allgemeinen Ausnahmesituation geschuldet – mehr unrasierte und nachlässig gekleidete Soldaten gesehen als hier. Die einzelnen Gebäude – Stallungen, Lazarett, die Messen für Gemeine und Offiziere, die Unterkünfte, das Verwaltungsgebäude, eine achteckige Kapelle, das Waffen-, das Ausrüstungs- und das Vorratslager, die Latrinen, ein kleines Gefängnis zur Bestrafung von Soldaten, zwei überdachte Brunnen – waren gut in Schuss und adrett entlang der Außenmauern angeordnet. Alle Bauten waren grau, wenngleich in verschiedenen Abstufungen. Nach hinten, nach Norden, dem Feind zugewandt, gab es ein zweites Tor und einen zweiten Torturm, der noch höher war als der südliche und dadurch bereits Eigenschaften eines Bergfrieds aufwies. Auf dem Innenhof exerzierte gerade eine Kompanie aus 29 Infanteristen, die von zwei Leutnants angeleitet wurde. Der eine der beiden Leutnants war klein, dicklich und hatte feuerrote Haare, der andere war hochgewachsen und schlaksig mit einem länglichen Gesicht.
    Auf den ersten Blick konnte Leutnant Fenna erkennen, dass die Festung Carlyr unterbesetzt war. Abgesehen von den Exerzierenden ging kaum jemand umher. Die Zinnen- und Torbesatzungen entsprachen dem regulativen Minimum. Der Feldzug der Königin hatte also auch hier seine Spuren hinterlassen.
    Eine Ordonnanz trat an ihn heran, ein ältlicher Mann mit furchtsamen blassblauen Augen. »Willkommen in der Festung Carlyr, Herr Leutnant«, sagte auch dieser noch einmal, während die Torsoldaten hinter ihnen beiden grinsend die schwarzen Flügel zuschoben und verriegelten. »Um das Pferd wird man sich kümmern. Darf ich um Eure Papiere ersuchen?«
    Leutnant Fenna nahm dem Pferd sein persönliches Gepäck ab und sah ihm hinterher, als ein Stallbursche es hinwegführte. Das Pferd wirkte plötzlich ganz pflegeleicht und handzahm. Dann kramte Fenna seine Überstellungsorder hervor und hielt sie der Ordonnanz hin, während er weiterhin die Festungsanlage mit zusammengekniffenen Augen musterte. Es schien ihm, als seien sowohl die hintere, nördliche Mauer als auch das dortige Tor dicker und stabiler als ihre südlichen Entsprechungen, was sicherlich einen Zweck erfüllte. Nach hinten heraus wehten keine Banner, was ungewöhnlich war, aber vielleicht auch irgendeinen Sinn ergab. Besorgt blickte sich der Leutnant nach oben hin um. Da die Festung von hohen Felsen eingekeilt war, konnte sie von oben herab attackiert werden, was eigenartig war. Normalerweise errichtete man Festungen eher auf Berggipfeln oder an sonst wie herausragenden Punkten und nicht zwischen den Schenkeln eines Gebirgszuges. Er versuchte Treppen oder sonstige Aufstiege auszumachen, die darauf hindeuteten, dass die Klippen links und rechts der Festung ebenfalls dazugehörten
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