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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne.
Autoren: Lion Feuchtwanger
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große Wort getilgt, manches leidenschaftliche Bekenntnis, weil es im Rom Vespasians hätte Anstoß erregen können. Aber was war besser, Kompromisse schließend einen Teil der Wirkung zu erreichen oder prinzipientreu gar keine?
      Welch ein Segen, daß jetzt der Alte stirbt und seinem Sohne den Platz frei macht, diesem Titus, dem Freunde Josefs, dem Freunde der Jüdin Berenike. Die Jüdin wird in den Palatin einziehen, und dann, ja, du sehr guter, sehr großer Kaiser Vespasian, dann erst wird mein »Jüdischer Krieg« seine ganze »gerechte« Wirkung tun. Josef läuft hin und her, schmeckt seinen Erfolg im vorhinein ganz aus. Mechanisch greift er nach dem sehr schwarzen Bart, der dreieckig in starren, gepflegten Locken von den ausrasierten Lippen herunterzackt. Er summt vor sich hin in jenem uralten Singsang, in dem er in seiner frühen Jugend in den Lehrstunden der Universität Jerusalem die Sprüche der Bibel zu zitieren gelernt hat. Sein hageres Gesicht strahlt Hochmut und Glück.
      Er kann zufrieden sein mit dem Erreichten. Er hat durch zahllose Strapazen hindurch müssen, das Schicksal hat ihn heftiger geschaukelt als die meisten andern, aber im Grunde hat jede letzte Welle ihn höher getragen. Heute, mit seinen zweiundvierzig Jahren, in seiner besten Kraft, weiß er genau, was er kann. Es ist viel. Er war Soldat, er war Politiker: jetzt ist er Schriftsteller, und das von Herzen, ein Mann, der Gedanken aussinnt, die den Soldaten und den Politiker leiten. Man trägt ihm scharfe, hämische Worte seiner griechischen Kollegen zu, sie machen sich lustig über sein dürftiges Griechisch. Sollen sie. Seine Leistung steht da, die Welt hat ja dazu gesagt. Wenn er aus seinen Büchern vorliest, dann drängt sich trotz seines schlechten Griechisch die ganze große Gesellschaft Roms, ihn zu hören. »Siebenundsiebzig sind es, die haben das Ohr der Welt, und ich bin einer von ihnen«, jenes uralte, hochmütige Wort eines verschollenen Priesters klingt in ihm auf. Er ist zufrieden.
      Er ist nicht zufrieden. Seine langen, heftigen Augen werden finster. Er denkt an die, die ihn nicht gelten lassen.
      An jenen Justus zuerst, seinen Freundfeind, Justus von Tiberias, der ihm seit seinen Anfängen als ein ewiger Vorwurf im Wege steht. Worin jetzt, nachdem man politisch unterlegen ist, die Aufgabe eines jüdischen Schriftstellers besteht, darüber waren sie beide sich klar. Es gilt, den Sieger Rom von innen her zu besiegen, im Geiste. Jüdischen Geist in seiner ganzen Großheit vor das mächtige Rom, vor die bewunderten, gehaßten Griechen so hinzustellen, daß sie sich ihm hingeben, das ist heute des jüdischen Schriftstellers Sendung. Von dem Augenblick an, da er zum erstenmal vom Capitol aus über die Stadt Rom hinsah, hat Josef das gespürt. Doch nicht er allein hat so gespürt, sondern, leider, eben auch jener Justus. Ja, jener Justus hat, sehr frühzeitig, klare Gedanken aus seinen Gefühlen gemacht. »Gott ist jetzt in Italien.« Josef weiß nicht mehr genau, wer dieses Wort zum erstenmal gesagt hat, er selber oder der andere. Ohne den andern jedenfalls wäre es nicht in der Welt.
      Wie immer, nun hat ihrer beiden Arbeit das gleiche Ziel: der westlichen Welt das Wesen des Judentums darzustellen, seinen schwierigen, verkannten Geist, so oft verborgen unter scheinbar aberwitzigen Bräuchen. Nur eben ist die Methode des Justus viel härter, gerader. Er will nicht begreifen, der Mensch, daß man an Römer und Griechen ohne Kompromisse nicht herankommt. Als Josef glücklich so weit war, daß er die sieben Bücher seines »Jüdischen Krieges« abgeschlossen vorlegen konnte, da, inmitten des stürmischen Beifalls der Hauptstadt, hat Justus nichts für ihn gehabt als ein tödlich freches Lächeln. »Ich wüßte niemand, der Sprungbretter für eine gute Karriere besser fabrizierte als Sie«, damit hatte er Josefs Lebensarbeit abgetan. Und dann hat er sich, dieser dreisteste aller Menschen, der doch ohne des Josef Zutun überhaupt nicht mehr in der Welt wäre, darangesetzt, sein, des Josef Werk noch einmal zu schreiben, einen »Jüdischen Krieg«, wie Justus ihn sieht. Mag er. Josef hat keine Angst davor. Das Buch wird werden wie die andern paar schmalen Bücher, die Justus bisher veröffentlicht hat, scharf, klar, geschliffen und ohne Wirkung. Sein eigenes Buch aber, das Buch mit dem dürftigen Griechisch und den Konzessionen, hat die Probe bestanden. Hat gewirkt, wird wirken, wird bleiben.
      Und jetzt genug von
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