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Die Söhne.

Die Söhne.

Titel: Die Söhne.
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Justus. Der ist weit weg, in seinem Alexandrien, und soll dort bleiben. Josef setzt sich an den Schreibtisch, nimmt das Manuskript des Phineas auf, des Sekretärs. Wieder wie so oft verdrießt ihn die flüchtige, unordentliche Schrift des Mannes. Gewiß, es kommt bei dieser Arbeit auf das Technische des Schreibens nicht an; allein Josef ist gewohnt an die Sorgfalt, mit der man die Schriftrollen der hebräischen Gesetzbücher herstellt, und er ärgert sich.
      Er überfliegt das Papier. Meisterhaft ist es, das Griechisch dieses Phineas, keine Frage. Josef ist angewiesen auf seine Hilfe. So lebendig sein Aramäisch und sein Hebräisch ist, seinem Griechisch fehlen die Nuancen. Er hat den Phineas als Leibeigenen gekauft, für teures Geld. Er hat bald gesehen, daß er keinen zweiten Mitarbeiter finden könnte, so tauglich wie ihn. Niemand versteht besser als er, was Josef will. Bald aber auch hat er erkennen müssen, daß dieser Phineas, stolz auf sein Griechentum, im Grunde alles Jüdische verachtet. Der Sekretär zeigt es ihm auf seine Art. Oftmals, höhnisch geradezu, führt er ihm vor, wie geschmeidig er sich seinen Gedankengängen anzupassen vermag, und gibt einer Wendung jenen letzten Schliff, den Josef ersehnt. Aber dann wieder, gerade wenn Josef sein Herz daran hängt, einen Gedanken, ein Gefühl mit letzter Feinheit auszudrücken, dann versagt er sich, der Tückische, stellt sich dumm, sucht eifrig, beflissen und findet nichts, genießt es aus, wie Josef sich um das ersehnte Wort abzappelt, und läßt ihn am Ende im Stich in seiner Plumpheit. Am liebsten, trotz der Dienste, die er ihm leistet, jagte er ihn aus dem Hause.
      Aber es geht nicht. Er kann ihn so wenig loswerden wie den Justus. Dorion, seiner Frau, ist der Mensch unentbehrlich geworden, sie hat ihn zum Erzieher des kleinen Paulus bestimmt, und auch der Junge hat sich in den Griechen vergafft, rettungslos.
      »Siebenundsiebzig sind es, die haben das Ohr der Welt, und ich bin einer von ihnen.« Alle preisen ihn glücklich. Er ist ein großer Schriftsteller in einer Welt, die den Schriftsteller unmittelbar nach dem Kaiser ehrt. Aber dieser große Schriftsteller kann heute nicht mehr erreichen, was er damals erreichte, als er in seinen Anfängen war und noch keineswegs erprobt. Damals hatte er die Kraft, die Fremdheit wegzuschmelzen zwischen sich und Dorion. Damals, in Alexandrien, sind sie in eines geflossen, er und dieses Mädchen Dorion, seine Frau.
      Wie weit das hinter ihm liegt. Vieles hat sich verändert in diesen zehn Jahren. Sie ist wieder die ägyptische Griechin geworden von früher, und er ist der Jude.
      Aber jetzt, nun Titus Kaiser wird, nun der große Umschwung kommt, kann es nicht wieder werden wie in Alexandrien? Dorion liebt den Erfolg. Dorion kann den Mann nicht trennen von seinem Erfolg. Sicher weiß sie noch nichts von dem bevorstehenden Tod des Kaisers. Er wird hinübergehen zu ihr, um ihr selber die glückliche Wendung mitzuteilen. Sie wird dasitzen, schmal, lang – ihr Leib ist zart geblieben, nicht entstellt, trotzdem sie ihm Kinder geboren hat –, den gelbbraunen Kopf wird sie nach hinten werfen, leicht mit der stumpfen Nase wird sie schnuppern. Mit den dünnen Händen, mechanisch, wird sie ihren Kater Chronos streicheln, ihren geliebten Kater, den er nicht leiden kann und den sie für einen Gott hält, wie sie ihre glücklich verreckte Katze Immutfru für einen Gott gehalten hat. Er begehrt sie heftig, wie er sie sich so vorstellt, den Mund mit den kleinen Zähnen töricht halboffen vor Überraschung, nachdenklich, in der Haltung eines kleinen Mädchens. Dorion ist ein Kind, sie hat die Gabe, sich zu freuen, ungehemmt wie ein Kind. Man sieht, wie Freude in ihr entsteht, wie sie wächst, wie erst ihr Mund sich freut, dann die Augen, dann ihr ganzes Gesicht, endlich ihr ganzer Leib. Sie ist herrlich, wenn sie sich freut.
      Er wird trotzdem nicht zu ihr gehen und sie benachrichtigen. Es wäre ein zu billiger Triumph, es wäre ein Eingeständnis, wie sehr er sie braucht, und er muß behutsam sein vor ihr, er darf sich nicht gehenlassen, er hat gewisse Wünsche, die sie ihm versagt. Ihr sein großes Verlangen zeigen hieße sich ihr unterlegen zeigen.
      Aber viel Überwindung kostet es ihn, nicht zu ihr zu gehen. Er hat zahllose Frauen gehabt, er sieht jung aus und nach etwas Besonderem, er ist kräftig, elegant, Ruhm und Erfolg ist um ihn, die Frauen fliegen ihm zu. Doch erst seitdem er Dorion kennt, weiß er,
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