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Die sizilianische Oper

Die sizilianische Oper

Titel: Die sizilianische Oper
Autoren: Andrea Camilleri
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Sitznachbarn heftige und krampfhafte Schläge. Seine Frau erschrak und jammerte laut. Andere eilten dem Cavaliere zu Hilfe, und der Geistesgegenwärtigste unter ihnen lud ihn auf seine Schultern und brachte ihn in den Vorraum, gefolgt von der Ehefrau, die unaufhörlich jammerte und weinte.
      Anfangs war der Doktor Gammacurta hocherfreut und dachte, daß Mistretta das Ganze in Szene gesetzt habe, um ihren Abmachungen gemäß die Aufführung zu stören. Doch dann begriff er, daß es etwas Ernstes war.
    Auf der Bühne war inzwischen sie, die Jungfer Effy, die sagenhafte Schönheit, erschienen. Es war ein Riesenweib von über zwei Metern mit Händen wie Schaufeln und
      Filippa, die Frau von Giosuè Zito, saß seelenruhig da. Sie war von Geburt an taub und hatte nichts von dem mitbekommen, was im Zuschauerraum oder auf der Bühne gesagt wurde. Für sie spielte sich alles in himmlischer Eintracht ab. Erst beim Anblick des großen Weibs wurde sie neugierig.
    »Giosuè, wer ist das?«
    Giosuè Zito war bei Effys Erscheinen unruhig geworden.
      »Da stimmt was nicht«, hatte er gedacht, »da ist was faul, das ist keine Frau, sondern ein Mann.«
    »Das ist Giorgio, der Zwillingsbruder«, antwortete er im
    Brustton der Überzeugung, laut brüllend ob der Schwerhörigkeit seiner Frau.
      Wieder brach großes Gelächter aus, doch der Beitrag Giosuè Zitos zum Absägen der Oper war gänzlich unfreiwillig gewesen.
    Die Sängerin, die den Part von Effy sang, war wegen der Ereignisse im Zuschauerraum und wegen der Dinge, die ihr noch vor dem Auftritt zu Ohren gekommen waren, sichtlich in Panik geraten. Ihr Blick, ihre verkrampften, ringenden Gesten und so mancher ruckartige, ungelenke Schritt drückten das ganze Gegenteil von dem aus, was sie eigentlich sollten – nämlich Freude über die bevorstehende Hochzeit. Auf das gebieterische Zeichen des Dirigenten hin stimmte sie mit einer Stimme, schwach wie ein flackerndes Flämmchen kurz vorm Verlöschen, tausend schmachtende Liebste
    hab' ich im Wahn für mich gesehen.
      An dieser Stelle ließ sich von der Galerie die Stimme Lollò Sciacchitanos vernehmen.
      »Sciavè, wärst du fähig, nach einem solchen Weib zu schmachten?«
    Klar und deutlich kam die Antwort Sciaverios:
    »Nicht mal nach dreißig Jahren schweren Kerkers.«
      Den Doktor Gammacurta dauerte jene Frau auf der Bühne, die mutig weitersang. Es war ungerecht, fand er, denn die Arme, die sich da ehrlich ihr Brot verdiente, hatte doch nichts mit den Vigatesern, den Montelusern und diesem Arschloch von Präfekten zu tun.
    »Ich gehe mal, um zu sehen, wie sich der Cavaliere Mistretta fühlt«, sagte er zu seiner Frau. Er erhob sich, ließ die vier Personen aufstehen, die ihm den Weg zum Gang versperrten, und ging ins Foyer.

    »Meine sehr verehrten gnädigen Frauen und gewissermaßen sehr verehrten gnädigen Herren. Meiner Frau Concetta wurde der Vorschlag unterbreitet, daß ich einen Vortrag über Luigi Ricci, den Komponisten der Oper Der Bierbrauer von Preston, halten solle, die in wenigen Tagen im neuen Theater von Vigàta, dem ganzen Stolz dieses lieblichen Städtchens, aufgeführt wird. Diese Rede bin ich gezwungen zu halten, unter allen Umständen, weil ich meiner Frau nicht eine einzige Bitte abschlagen kann. Warum nur, werden Sie sich fragen.«

    Er machte ein schluchzendes Geräusch, kramte ein rotkariertes Taschentuch hervor, wackelte um Mitleid heischend mit dem Kopf, schneuzte sich kräftig die Nase, steckte das Taschentuch wieder in die Hosentasche seines Festtagsanzugs und fuhr bitter lächelnd fort.

    »Meine Mutter hatte es mir gesagt. Immer wieder war sie in mich gedrungen und hatte von mir wissen wollen: kannst du mir erklären, warum du dir in den Kopf gesetzt hast, sie zu heiraten? Concetta ist dreißig Jahre jünger als du, nach zehn Jahren Ehe wirst du die Sechzig erreicht haben, während sie erst dreißig ist. Und um sie dir nicht entwischen zu lassen und des lieben Familienfriedens dessen aber lautete ihr Befehl: diesen Vortrag mußt du halten, ansonsten … Ansonsten, ich weiß genau, was »ansonsten« zu bedeuten hat! Schluß, lassen wir es gut sein. Und wer hat meiner Frau Gemahlin diese Sache ans Herz gelegt? Sie wissen ja alle, daß Concetta eng mit der Gattin Seiner Exzellenz des Präfekten Bortuzzi befreundet ist. Habe ich das Geheimnis jetzt gelüftet? Ist es jetzt klar? Ebendas ist der Grund, weshalb ich hier wie ein Idiot vor Ihnen stehe.«

    Don Memè saß in der ersten
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