Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso
Autoren: Andreas Werning
Vom Netzwerk:
Arbeit für die Aufräumer. Denn das Auge des überlebenden Soldaten sollte nicht durch den Anblick seiner gefallenen Kameraden beleidigt werden.
    Die beiden Armeen kehrten in ihre Lager zurück. Wunden wurden gereinigt und mit Magischen Heilsprüchen versehen, Waffen geschärft und für die Fortsetzung des Kampfes am nächsten Tag vorbereitet. Soldaten, die besonders gut gekämpft und viele Gegner getötet hatten, wurden mit Erotikdamen belohnt. Sie verbrachten die Zwischennacht ohne Schlaf, aber ein guter Soldat vermochte zu kämpfen, ohne geschlafen zu haben.
    Die Aufräumer krochen ins Streitland. Es waren Spezialhybriden, deren Gene sie für diese Aufgabe prädestinierten. Modernes Gerät durfte nicht eingesetzt werden, so lautete eine der Alten Regeln. Ein guter, genreiner Aufräumer wog mindestens zwei Normtonnen und verfügte über vier Schaufelarme, mit denen er die makabren Überreste der Kämpfe einsammelte und einem organischen Wiederverwertungsprozeß zuführte. Am Rand des Streitlands warteten bereits die Sammelfahrzeuge der Asketischen Kirche. Mönche in scharlachroten Roben überwachten die Arbeit der Aufräumer und begutachteten das organische Material, das nach ihrer Zustimmung in die metallenen Bäuche der summenden Ungetüme wanderte. In den Brut- und Gebärkammern der Asketischen Kirche mochten neue Soldaten daraus werden. Oder Magier. Oder Flieger.
    Die Aufräumer krochen mit ausgebreiteten Schaufelarmen umher. Metall wurde von organischem Material getrennt, scheintote Soldaten und Reithybriden sorgfältig abgesondert.
    »Die Ohtanis haben einen klaren Vorteil herausgekämpft«, murmelte einer der Mönche. Ein anderer nickte.
    »Die Kriegslage ist analysiert und gespeichert. Morgen werden die heutigen Abendpositionen neu eingenommen.«
    »Die Ohtanis könnten siegen.«
    »Ja.«
    Ein Aufräumer kroch heran. Die beiden Mönche begutachteten für einige Minuten das organische Material in seinen breiten Schaufelarmen und sandten dann mit ihren Gedankenstimmen Zustimmung aus. Der Aufräumer beförderte seine Fracht daraufhin in den Laderaum eines Sammelwagens.
    »Ein Sieg mit Joker bedeutet drei Erfolge.«
    »Ich weiß.« Der Mönch wandte sich um. Sein Gesicht war schmal; Haut spannte sich straff über milchiggelben Wangenknochen. Der Mann war uralt, vielleicht zwei- oder gar dreihundert Normjahre. Aber die asketische Lebensweise in der Kirche hatte die Kraft seines Körpers erhalten. Auf der Stirn trug er ein Symbol aus drei Schwarzrubinen. Es wies ihn als einen der wenigen Ganzasketen aus, die in der Lage waren, selbst Gedankenbilder und die Welt des Unbewußten nach den Regeln der Asketischen Kirche zu gestalten.
    »Herr«, fuhr der Mönch an seiner Seite fort. »Es droht eine Gefährdung der Kriegsstabilität.«
    »Ich weiß. Wir haben Vorsorge getroffen.« Er beobachtete einen anderen Aufräumer, der nun den Wagen entgegenkroch. Er trug scheintote Soldaten in seinen Armen und gab ein helles Zirpen von sich. Der Ganzasket trat an ihn heran und streckte einen Mentalarm in die Tiefe seines Geistes. Zwei Bilder entstanden, zwei Namen berührten die Oberfläche seines Bewußtseins.
    »Tajima Nimrod und Ahiron Susla.« Er legte beide Hände auf die Körper der Soldaten. In Ahiron Susla pulsierte der Lebensfunke heiß und kräftig, in Tajima war er nur noch ein flackerndes Licht, das zu erlöschen drohte.
    »Zur Wiederverwertung, nicht wahr, Herr?« fragte der Novize. Er war jung, vielleicht erst vierzig Normjahre alt, doch sein Äußeres glich dem des Ganzasketen. »Es bedeutet zwei neue Verkäufe.«
    »Nein.« Der Ganzasket lauschte der Stimme seines Ichs. »Nein«, wiederholte er dann. »Manchmal ist es besser, großzügig zu sein. Wir erreichen unser Ziel. Ein oder zehn oder hundert Mehrverkäufe spielen keine Rolle. Übe dich in Geduld, Asket. Es ist eine der Grundregeln unserer Kirche, wie du weißt. Nervosität kostet Energie. Energie ist kostbar.«
    Ein Extrapolationsbild entstand in ihm, und er prüfte die einzelnen Faktoren und war zufrieden. Behutsam berührte er den Körper Tajima Nimrods erneut. Das Lebenslicht erlosch. Das Blut verdickte sich. Fleisch erkaltete.
    »Du hast ihn getötet, Herr.«
    Dünne Funken lösten sich Elmsfeuern gleich von den Fingerkuppen des Ganzasketen und krochen wie winzige Geschöpfe über die Haut des Soldaten. Der Körperpanzer war vom Aufräumer abgesondert worden. Die Glimmlichter krochen in die Poren und lösten sich dort auf. Das Lebenslicht brannte neu;
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher