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Die Sirenen von Kalypso

Die Sirenen von Kalypso

Titel: Die Sirenen von Kalypso
Autoren: Andreas Werning
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mit einer Geschichtenerzählerin ist teuer. Nun, ich werde versuchen, es zu arrangieren. Bis zur Nordwestdomäne ist es nicht weit.« Er klopfte Tajima auf die Schulter. »Ich werde es versuchen, Soldat …«
    »Danke.«
    Als der Kampfherr zwischen den Beeten und Blütenanlagen verschwunden war, sagte Ahiron: »Und du magst wirklich nicht?« Er deutete auf die Erotikdame an seiner Seite.
    »Nein. Aber ich danke dir für das Angebot.«
    Eine sonderbare Nervosität hatte Tajimas Innerstes erfaßt. Eine Geschichtenerzählerin kannte nicht nur viele interessante Sagen und Legenden. Sie wußte auch die Antworten auf viele seiner Fragen. Vielleicht.
     
    Die Nordwestdomäne des Ohtaniclans glich einer Stadt: Dutzende von Gebäuden aus Wüstenmarmor, die Säulen verziert, die Dächer verschnörkelt und von glänzendem Weiß; breite Wandelalleen, die zur Entspannung einluden; Brunnen, in denen klares, sauberes Wasser sprudelte, das aus vielen Quellen in den nahen Vulkanbergen floß. Tajima Nimrod kam den Zentralgebäuden der Domäne während seines mehrtägigen Aufenthalts nie nahe genug, um einen Ohtani zu Gesicht zu bekommen. Es hieß aber, daß sich Karamanash Ohtani selbst zur Zeit hier aufhielt, und das blutrote Banner mit der Darstellung einer stilisierten Streitlibelle, das über dem Dach der Hauptvilla flatterte, sprach dafür. Weiter gen Westen, außerhalb der Domäne, schlossen sich die Tausende von Hektar Getreidefelder an. Ernter waren an der Arbeit und brachten das Korn ein. Andere arbeiteten in den weiten Anlagen der Obstgärten und pflückten Feigen, Aprikosen, Orangen und Leseitiszitronen. Tajima genoß die Atmosphäre in der Nordwestdomäne. Und er genoß ebenfalls, daß ihm allerorts mit Respekt begegnet wurde. Er war ein Soldat. Er kämpfte für die Interessen der Ohtanis. Und sein Aufenthalt hier bewies zudem, daß er ein guter Soldat war.
    Die Geschichtenerzählerin war ein Geschöpf, von dem eine Aura der Autorität ausging. Sie wies die Genmale einer Zeitlosen auf: silberschwarze Augen, silberfarbene Wimpern, dunkle, fast schwarze Haut, violettes Haar. Es war eine grazile, beinah fragil wirkende Frau von undefinierbarem Alter. Sie mochte fünfzig Normjahre alt sein, ebenso gut aber auch zweihundert. Und aus ihren Blicken sprach Erfahrung. Und Wissen.
    Gemeinsam wandelten Tajima Nimrod und Lystra – diesen Namen hatte ihm die Geschichtenerzählerin genannt; allerdings wußte jedermann, daß Erzählerinnen niemals ihren wahren Namen nannten – durch die Alleen und Parks der Nordwestdomäne. Tajima bevorzugte Plätze, an denen sie nur wenige Menschen antrafen.
    »Nur ein Tag«, murmelte Tajima und betrachtete das weiße Zwerggestirn, das über den Himmel kroch. Wenn es hinter dem Horizont versank, brach erneut die Zwischennacht an, gefolgt von der Hitze und dem Glanz des blauweißen Höllenfeuers. So wenig Zeit nur.
    »Setzen wir uns.« Lystra deutete auf eine marmorne Bank, die sich an eine Brunnenanlage schmiegte. Sie waren allein.
    »Hast du jemals andere Welten gesehen, Werte Dame?« fragte Tajima. »Hast du Leseitis jemals verlassen? Wie ist es an Bord eines Sternenkreuzers? Und wie auf den anderen Welten? Gibt es dort auch Kriege? Gibt es dort auch …«
    »Oh, zu viele Fragen auf einmal«, lachte Lystra und legte eine Hand auf Tajimas Arm. »Ja, ich habe andere Welten besucht. Auf einigen gibt es Kriege. Es sind schlechte Welten. Auf anderen herrschen Friede und Wohlstand. Dort werden keine Soldaten gebraucht. Das sind die guten Welten.«
    »Keine Soldaten?« Tajimas Augen waren groß. Und Lystra erzählte von anderen Sternen und anderen Planeten, von seltsamen Völkern und noch seltsameren Gebräuchen. Tajimas Verwirrung wuchs, je länger er den Worten der Geschichtenerzählerin lauschte. Eine Stunde verging. Dann noch eine. Und eine weitere. Schließlich hielt Lystra inne und betrachtete ihn eine Zeitlang.
    »Du bist ein eigenartiger Soldat, Tajima Nimrod. Ich habe mit einigen gesprochen. Sie waren nur an Märchen, Legenden und Sagen interessiert. Sie stellten keine Fragen. Du bist neugierig.«
    Tajima erschrak.
    »Nein, hab keine Angst, Soldat.« Etwas Warmes berührte seine Gedanken, und er beruhigte sich wieder. Einige Sekunden lauschte er der zärtlichen Gedankenstimme Lystras. Er kostete ihre mentalen Bilder: Er schmeckte den Wind anderer Welten und roch den Duft von Wäldern, die er nie gesehen hatte.
    »Schade«, murmelte er. »Schade, daß ich ein Soldat bin.«
    »Warum?«
    »Ich werde
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