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Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die silberne Burg: Historischer Roman (German Edition)
Autoren: Sabine Weigand
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sich Liebhaber nach Lust und Laune und führte in jeder Beziehung ein ausgeprägtes Eigenleben. Ihre Schönheit war Legende, und sie hatte nicht nur ein Händchen für Männer, sondern auch für Geld. Die (angebliche) Liaison mit dem Burggrafen von Nürnberg war damals schon Gegenstand von Klatsch und Tratsch. Barbara überlebte ihren Mann, der seine Drohung, sie einzusperren, später tatsächlich noch in die Tat umgesetzt hatte. Sie starb 1451 im Alter von ungefähr 60 Jahren an der Pest.
    Als einer von Barbaras Favoriten kommt Ezzo ins Spiel, der junge Ritter aus Franken. Ich wollte Sara mindestens einen (fiktiven) Mann an die Seite stellen. Und dieser Mann sollte kein Jude sein, sondern ein Kontrapart zum Judentum. Was nun konnte typischer für das christliche Mittelalter sein als das glorreiche Rittertum? Im 15. Jahrhundert zwar längst im Niedergang begriffen, ein Modell mit Auslaufcharakter, aber immer noch gefeiertes religiös-weltliches Ideal des Adels. Selbst heute noch finden wir es mit einer gewissen Mystik – und leider auch gänzlich zu Unrecht mit übertriebener Romantik – behaftet. Wenn dieser Ritter dazu noch aus der Familie dessen stammte, der später seinen gesamten Besitz an die Judenärztin Sara überantwortete, ließ sich damit auch eine Erklärungslücke schließen … Im Übrigen gibt es in der kleinen Ortschaft Riedern in der Nähe von Miltenberg heute noch ein kleines Wasserschloss – Ezzos Burg. Sie lieferte letztlich die Idee für den Romantitel, als steingewordene Realität der »silbernen Burg«, des Ortes, den Sara letztendlich sucht, wohl so wie wir alle: die leibliche und geistige »Heimat«, der gute Platz im Leben.
    Aber zurück zur hohen Politik. Sigismund sah das Konzil als Sprungbrett für seine politischen Ambitionen: Indem er es einberief, machte er sich zum Schiedsrichter über die Heilige Katholische Kirche. Und indem er drei Päpste ab- und einen neuen einsetzte, qualifizierte er sich gleichzeitig selber für höhere Weihen: Ein neuer Papst von seinen Gnaden würde ihm mit Freuden die Kaiserkrone aufs Haupt setzen. So kam es denn auch: Der nach drei Jahren Konzil 1417 zu Konstanz gekürte Papst Martin V. krönte Sigismund später zum Kaiser. Schließlich wäscht eine Hand die andere.
    So machten sich also die bedeutendsten Männer der Christenheit im Jahr 1414 auf nach Konstanz – und mit ihnen mindestens genauso viele Huren, Händler, Diebe und Spielleute …
    Auf dem Konzil sollte noch eine weitere Frage geklärt werden, die der Kirche ein Dorn im Fleisch war. Schon seit langem gab es – nachdem man in früheren Zeiten durch die Einsetzung der Inquisition mit den lästigen Ketzerbewegungen ganz gut fertiggeworden war – neue kritische Tendenzen. Und diese Tendenzen waren gefährlich für das kirchliche Establishment. Festmachen ließen sie sich an zwei Namen: John Wyclif und Jan Hus.
    Ersterer ist in Deutschland so gut wie gar nicht bekannt. Bei einer meiner Vorab-Lesungen fragte ich spontan in den Saal mit 120 Menschen hinein: »Wer von Ihnen hat schon einmal von einem Mann namens John Wyclif gehört?« Keine einzige Hand hob sich. Auf die Frage »Dann ist Ihnen vielleicht Jan Hus ein Begriff?« erntete ich immer noch von der großen Mehrheit der Gäste Kopfschütteln. Erst als ich nachfragte »Aber Sie kennen Martin Luther?«, kam erleichterte Zustimmung. Tatsächlich kennt man hierzulande Luther als großen Erneuerer des Glaubens – aber seine revolutionären Vorläufer, die schon viel früher dieselben Ziele angestrebt haben, sind in Vergessenheit geraten. Hier also eine kurze Erklärung zum besseren Verständnis: John Wyclif, ein englischer Geistlicher und Theologe, Professor an der Oxforder Universität, hat rund anderthalb Jahrhunderte vor Luther eine Kritik an der Kirche formuliert, die sich in hohem Maße mit den Forderungen und Thesen des späteren Protestantismus deckte. Lange vor dem Thesenanschlag in Wittenberg hat Wyclif Missstände und Fehlverhalten im Klerus und Defizite in der Lehre erkannt und den Finger in die Wunde gelegt. Begeisterte Anhängerschaft fand er in allen Gesellschaftsschichten, später wurden die Zugehörigen zu dieser Bewegung »Lollarden« genannt und als Ketzer verfolgt. Der erste Versuch einer »Reformation« wurde blutig und vollständig niedergeschlagen.
    Zum Zeitpunkt des Konzils war Wyclif längst tot, aber die Kritik an der Kirche war nicht verstummt. Derjenige, der als prominenter Führer der Reformer auftrat, kam
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