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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition)
Autoren: Petra Durst-Benning
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gemacht. In einem wahren Freudentaumel waren die Schwarzwälder auf die anderen Bauern gestoßen und hatten diese mit ihrem Blutdurst regelrecht angesteckt. Wüste Geschichten, in denen die Bauern jedoch immer heldenhaft, siegreich und mutig vorkamen, machten die Runde im Lager und peitschten die Bauern in einen wahren Rausch.
    Nach diesen Erzählungen gab es für Wunderer, Maier und Rohrbach nur eines: zuerst das nahegelegene Herrenberg einzunehmen und zu plündern. Dem Truchseß könnten sie auch danach noch begegnen, meinten sie. Und außerdem: Ein satter und gestärkter Bauch würde besser kämpfen als einer, der seit Tagen nur trocken Brot gesehen hat, fügte Jerg hinzu, der ebenfalls Feuer und Flamme für den Plan war.
    In den Augen Feuerbachers und einiger anderer war die Einverleibung Herrenbergs jedoch nichts anderes als eine unnötige Ablenkung vor der größten und wichtigsten Schlacht, die ihnen unweigerlich bevorstehen mußte. Und die mittlerweile unabwendbar geworden war. Eine friedliche Lösung, wie sie von Cornelius, Dettler und Weiland angestrebt worden war, schien angesichts der vielen bösen Einzeltaten nicht mehr möglich. Die so mühselig verfaßten und verbreiteten zwölf Artikel galten zwar weiterhin unter den Bauern wie auch unter der geistlichen und weltlichen Obrigkeit als Ausdruck der bäuerlichen Wünsche – eineGrundlage für gemeinsame Verhandlungen waren sie jedoch nicht geworden. Zuviel Schaden war von den verschiedenen Bauernhaufen angerichtet worden, zuviel Blut war schon geflossen, als daß die Obrigkeit nun noch zum Einlenken bereit gewesen wäre. Was den hellen, christlichen Haufen anging, hatte Feuerbacher zwar schlimmere Schandtaten verhindern können. Doch gegen die Rachegelüste der anderen Bauernhaufen war er ebenso machtlos wie die Überfallenen selbst. Immer öfter fand sich Matern Feuerbacher auf verlorenem Posten. Daß er in Teilen des Heeres immer noch reichlich Anhänger fand, die wie er für ein behutsameres Vorgehen einstanden, war ihm angesichts der täglichen Übergriffe auf unschuldige Menschen nur ein kleiner Trost.
    Auch Weiland fühlte sich im Kreis der Aufständischen längst nicht mehr so wohl wie zu Beginn. Wie konnte er, der friedliebende Pfarrer aus Taben, die Erstürmung einer Stadt gutheißen? Sollte er nicht vielmehr mit Händen und Füßen versuchen, die Bauern davon abzuhalten? Gleichzeitig wußte er, daß dies unmöglich war. Schon lange hatte er aufgegeben, auf ein Wunder zu hoffen. Müde, wie er nach dem wochenlangen Herumziehen war, bestand sein Anliegen heute nur noch darin, schlimmere Greueltaten zu vermeiden, wann immer es in seiner Macht lag. Während Wunderer die einzelnen Gruppen für die bevorstehende Erstürmung formierte, schaute Weiland sich um. Wunderer, Rohrbach, Jerg, Maier – was er in ihren Gesichtern las, reichte ihm, um eines zu wissen: Herrenberg war eine verlorene Stadt.
    Als Asa am Morgen des 12. Mai 1525 aufstand, war es noch nicht ganz hell. Nur zögerlich hob sich der dunkelblaue Mantel der Nacht, um Platz zu schaffen für einen neuen Tag. Doch Asa hielt es nicht länger auf ihrer Schlafstatt aus. Schon die halbe Nacht hatte sie sich nur noch hin-und hergewälzt, ihr Schlaf war ermüdend und unruhig gewesen. Ihr war, als warte sie auf etwas. Etwas, das Unglück über viele Menschenbringen würde und das unabwendbar war. Ihr Herz fühlte sich an wie ein kalter Felsbrocken, dessen rauhe, ungeschliffene Ecken sich in ihren Leib bohrten und diesen verwundeten. Ihr Blick fiel auf Marga und Find. Beide schliefen noch. Asa hatte schon immer mit den Dämonen der Nacht zu kämpfen gehabt, und das war in den letzten Jahren immer schlimmer geworden. Leise suchte sie sich im Dunkeln Jacke und Schuhe zusammen. Dann ging sie vor die Hütte. Noch immer war ihr schwer ums Herz, nicht einmal die jungfräuliche Frische des neuen Tages konnte sie ablenken, sie auf freudige Gedanken bringen. Sie setzte sich auf die Bank, die neben der Tür an der Mauer stand, und schloß die Augen.
    Auf einmal spürte sie, daß sie nicht mehr alleine war. Sie öffnete die Augen und sah Marga neben sich. Und bevor sie etwas sagen konnte, hörten sie ihn:
    Den Schrei des Uhus.
    Den Todesschrei.
    Und Asa wußte, daß er es war, worauf sie gewartet hatte. Sie wurde von einer fast unheimlichen Gleichgültigkeit erfaßt. Was geschehen mußte, würde geschehen. Sie konnte es nicht aufhalten – niemand konnte das! Ihr war, als zerspringe der Fels, der an Stelle ihres
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