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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition)
Autoren: Petra Durst-Benning
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erzählte von einer Geschichte dieser Art. Auch von Marienerscheinungen oder anderen Phänomenen wußte niemand etwas zu berichten. Was hatte dieser Hügel also besonderes erlebt?
    Ich fragte weiter, hörte mich um, und schließlich bekam ich – eher durch Zufall – eine Antwort auf die Frage, was »Die Stelle« zu einem besonderen Ort macht: Hier sammelten sich in den Jahren 1524/25 aufständische, württembergische Bauern aus dem ganzen Umland, um danach gemeinsam nach Stuttgart zu marschieren, wo sie Herzog Ulrich ihren Unmut über ihre lebensunwürdigen Umstände kundtun wollten. Hier also verabschiedeten die mutigen Männer sich von ihren Frauen, nicht wissend, ob sie gesund und lebend von ihrer Mission zurückkommen würden. Hier überwanden sie ihre Ängste, ihre Zweifel, ob das, was sie vorhatten, das Richtige war. Hier genossen sie die Bruderschaft, den Zusammenhalt der Gruppe. »Die Stelle« warihr Ausgangspunkt – keiner wußte, wohin die Reise führen würde.
    Damit war meine Neugier geweckt! Nun wollte ich mehr erfahren über die Bauern, die sich »meine Stelle« vor Jahrhunderten als Treffpunkt ausgesucht hatten, ich wollte herausfinden, wohin ihre Reise ging und ob sie erfolgreich war! Viel wußte ich zu diesem Zeitpunkt nicht über den württembergischen Bauernkrieg – im schulischen Geschichtsunterricht war er übergangen worden –, doch das sollte sich bald ändern. Je mehr ich las, desto größer wurde mein Staunen: Dieser Krieg war die erste und größte deutsche Revolution, die es je gegeben hat! Die aufständischen Bauern waren mutige Männer, die ihr Leben riskierten, um menschenwürdigere Bedingungen für ihren Stand durchzusetzen. Warum hat niemand diesen Männern Denkmäler gesetzt? Warum gibt es in jeder Stadt zwar Straßen, die nach deutschen Dichtern benannt wurden, aber nirgendwo eine »Arme-Konrad«-Gasse oder einen Bundschuhplatz? Sicher, etliche Bauernkriegsmuseen dokumentieren die historischen Ereignisse, aber im großen und ganzen ist es um das Wissen bezüglich des Bauernkriegs eher bescheiden bestellt. Noch immer werden die aufständischen Bauern gern als brandschatzende Horde dargestellt, die sich gewalttätig gegen die Obrigkeit zur Wehr setzte. Nach dem Warum wird dabei eher selten gefragt. Aber genau dieses Warum war mir wichtig. Was trieb einstmals brave, folgsame Bürger dazu, ihr Leben aufs Spiel zu setzen? Wer organisierte diese Aufstände? Und welchen Ausgang hatten sie? Wurden die Träume der Menschen nach einem besseren Leben wahr? Oder war der Aufbruch auf der »Stelle« der Anfang vom Ende?
    Mit der Silberdistel bin ich also auf Spurensuche gegangen. In Bibliotheken, im Gespräch mit Historikern, aber auch auf vielen weiteren Spaziergängen und Wanderungen. Denn nicht nur »die Stelle« erzählt vomBauernkrieg, sondern viele andere Orte ebenso: Plätze, an denen Galgen aufgestellt wurden, an denen junge und alte Männer jämmerlich gehängt worden waren. Plätze, an denen Bauern wie Vieh zusammengetrieben und zu Tode geprügelt worden waren. Kirchen, in denen sie Unterschlupf fanden. Und Schlösser und Burgen, die sie angezündet haben. Von manch einer stehen nur noch ein paar Grundmauern und Ruinenreste …
    Übrigens: Die Silberdistel – dieser wunderschöne, silbrig glänzende, stachelige Stern – ist nicht nur eine typische Pflanze der kargen Wacholderheiden der schwäbischen Alb (und steht heuer unter Naturschutz!), sie gilt außerdem als eines der Symbole des bäuerlichen Widerstands um 1525! So ist es kein Wunder, daß ich gerade diesen Titel für meinen Roman ausgewählt habe. In einer meiner Lieblingsstellen des Buches – Jerg und Marga genießen darin einen seltenen Moment der Zweisamkeit am Trauf der Schwäbischen Alb – sagt Jerg: »Schau, ist sie nicht wunderschön?« Zärtlich hielt er die Silberdistel gegen das Sonnenlicht, in dem die stachelige Hülle wie zarteste Spitze wirkte. »So wehrhaft wie diese Pflanze, so widerstandsfähig, daß sie sich trotz aller Kargheit hier droben in ihrer ganzen Schönheit entfalten kann – so soll auch unser Kampf sein!«
    Geschichte ist spannend. Es geht um das genaue Hinschauen, das Hinterfragen, das Wachsamsein, das sich wundern und staunen können! Wenn es mir gelingt, Ihnen ein bißchen davon in meinen Büchern nahezubringen, bin ich ein glücklicher Mensch.
    In diesem Sinne wünsche in Ihnen viele schöne Lesestunden,
    Ihre Petra Durst-Benning
     



1.
    Es war eine dieser kalten Märznächte, die daran
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