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Die Silberdistel (German Edition)

Die Silberdistel (German Edition)

Titel: Die Silberdistel (German Edition)
Autoren: Petra Durst-Benning
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Herzen Platz genommen hatte, mit riesigem Getöse in tausend kleine Teile.

14.
    Wie schon oft zuvor in seinem Leben, als er lange auf etwas gewartet hatte, es sehnlichst herbeigewünscht hatte, stellte Jerg nun, da dieses Etwas endlich geschah, enttäuscht fest, daß es eigentlich nicht seinen Erwartungen entsprach. Statt Glück zu spüren, fühlte er sich lediglich hohl und leer. Statt befriedigt zu sein, genarrt und zum Besten gehalten.
    So und nicht anders erging es Jerg, als er und die anderen am Morgen des 12. Mai endlich ihrem Widersacher gegenüberstanden. Nicht, daß er Angst gehabt hätte. Das nicht. Nur erschien ihm plötzlich die Aussicht auf eine Schlacht bei weitem nicht mehr so erstrebenswert wie noch vor ein paar Tagen. Doch nun war es zum Kneifen zu spät. Neben ihm hatten sich Jäcklein Rohrbach und Hans Wunderer aufgestellt. Grimmig blickten sie sich an, keiner sagte etwas. Irgendwie beschlich Jerg das ungute Gefühl, als wären sich die anderen ihrer Sache auch längst nicht mehr so sicher.
    »So, und jetzt? Wie soll’s jetzt weitergehen, he? Ihr steht da wie ein paar Deppen, während die Feinde immer näherkommen. Sollen wir uns vielleicht abschlachten lassen wie das Vieh?« Cornelius’ Augen funkelten gefährlich, als er sich vor den anderen Anführern aufbaute. »Daß ihr den Feuerbacher abgesetzt habt, war euer erster Fehler. Daß wir Herrenberg verlassen mußten, das war euer zweiter Fehler. Und hier vor Böblingen wird unser aller Untergang sein!« schrie er den anderen wütend ins Gesicht.
    »Ich kann’s nicht mehr hören!« schrie Rohrbach zurück. »Ich dachte, wir wären uns einig gewesen, Herrenberg zu verlassen und den Truchseß dadurch an der Nase herumzuführen. Sonst hätten wir nie die Zeit gehabt, uns so aufzustellen, wie wir es getan haben.« Er machte eine ausladende Handbewegung nach hinten. »Sieh dich doch um: Fast fünfzehntausend Mann, aufgeteilt in zwölf Fähnlein, dazu dreiunddreißig Geschütze und Berge von anderen Waffen – und alles wartet nur darauf, endlich losschlagen zu können!«
    Verächtlich spuckte Cornelius auf den Boden. »Aufgeteilt in zwölf Fähnlein – daß ich nicht lache. Bist du ein Kommandant? Was wissen wir schon vom Kriegeführen? Gar nichts! Wären wir in Herrenberg geblieben, hätten wir uns wenigstens hinter den dicken Mauern verschanzen können. So sind wir dem Truchseß schutzlos ausgeliefert.«
    »Dann renn doch heim wie die anderen Feiglinge!«Haßerfüllt trat Jerg vor seinen Bruder. Wie so oft auf dem langen Zug durch das aufgewühlte Land standen sie sich wie zwei Kampfhähne gegenüber, von denen ums Verrecken keiner einen Rückzieher machen wollte.
    »Daß ein Mann im Angesicht seines sicheren Todes der Mut verläßt, soll schließlich schon vorgekommen sein, oder?« Cornelius’ Stimme triefte vor Ironie. »Nur ein Dummkopf schaut dem Gevatter Tod lächelnd in seine Fratze.«
    »Wenn das deine Art ist, den Männern Mut zu machen, dann ist es vielleicht besser, du hältst dein Maul«, gab Jerg verächtlich zurück. »Was ist nun? Warum marschieren wir nicht einfach los und überraschen die Soldaten im Schlaf?« Herausfordernd blickte er zu Bernhard Schenk, Feuerbachers Nachfolger.
    Dieser blickte auf die sumpfigen Wiesen vor sich, als könne er darin eine Antwort finden. Irgendwo dort hinten, hinter den Hügeln, lagerten die Württembergischen, die wahrscheinlich noch nicht einmal ahnten, daß ihnen ein Kampf mit dem riesigen Bauernheer unmittelbar bevorstand.
    »Den Truchseß im Schlaf überraschen – du hast vielleicht Träume! Der ist im tiefsten Schlaf noch wacher als wir alle zusammen«, feuerte Cornelius zurück.
    Und so ging es hin und her, her und hin. Der Morgen verrann.
    Ein wenig abseits – schließlich gehörte er nicht zum Kern der Hauptleute – stand Dettler und schüttelte den Kopf. Was war nur aus ihnen geworden, seit sie so hoffnungsvoll von Taben aufgebrochen waren? Wo war die Kameradschaft, die Verbundenheit geblieben? Dettler hatte das Gefühl, daß mit jeder zurückgelegten Meile ein Stück davon verlorengegangen war. Seit Tagen gab es nur noch böse Worte zwischen den Anführern. Die Nachricht, daß der Truchseß aus lauter Wut über die Bauern das Herrenberger Umland gebrandschatzt hatte, war schließlich der Tropfen gewesen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hatte. Daß so vieleUnschuldige dran glauben mußten, sei ihre Schuld, hatte Feuerbacher jedem ins Gesicht geschrien. Hätten sie den Truchseß
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