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Die siebte Maske

Die siebte Maske

Titel: Die siebte Maske
Autoren: Henry Slesar
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noch völlig im dunkeln.«
    »Irrtum, Martha. Wir haben schon ein paar Kleinigkeiten, mehr als ein paar. Wir hängen es nur nicht an die große Glocke.«
    »Ach so«, sagte Martha kühl, da sie sich übergangen fühlte.
    »Liebes, du weißt, ich erzähle dir immer alles. Aber über diesen Fall kursieren sowieso schon so viele Gerüchte. Ich habe meine Beamten um strikte Geheimhaltung gebeten, bis wir die Laborberichte und alles andere beisammen haben. Bis dahin – strengstes Stillschweigen, auch der Familie, auch dem besten Freund gegenüber.«
    »Wirst du jemanden festnehmen?«
    »Vielleicht ist die Festnahme schon erfolgt. Auf den Bescheid warte ich eben gerade.«
    Zehn Minuten später klingelte das Telefon. Martha zuckte noch mehr zusammen als Bill.
    »Marceau«, meldete sich Bill am Telefon. Dann nickte er und sagte: »Okay, Lew, du kannst ihn einliefern.« Und damit war das Gespräch auch schon beendet.
    Martha beobachtete ihn wortlos. Bill seufzte und fuhr sich mit dem Finger innen am Hemdkragen entlang.
    »Also gut, wir haben jemanden verhaftet«, brummte er. »Unter Mordverdacht. Wir mußten zwei Leute nach Detroit schicken, um den Verdächtigen festzunehmen.«
    »Wer ist es?«
    »Er heißt Tony Jerrick«, sagte Bill.

4
    D urch die Sprechanlage hörte Mike, wie Jeanmitten im Satz stockte.
    »Wer?« fragte er.
    »Mrs. Adrienne Haven«, wiederholte Jean, diesmal ohne zu stocken. Sogleich hatte sie die Überraschung, die sie beim Auftauchen der Besucherin in Mikes Vorzimmer empfunden hatte, überwunden. »Sie weiß zwar, daß sie keinen Termin hat, aber ob Sie sie nicht trotzdem empfangen könnten?«
    »Was steht denn auf dem Terminkalender?«
    »Mr. Cudahy um elf Uhr fünfzehn. Sonst nichts.«
    In der Sprechanlage knisterte es während der folgenden Pause, so als krabbele etwas in der Leitung herum.
    Dann sagte Mike: »Gut. Ich lasse bitten.«
    Bei all dem Gerede, das er während der vergangenen Woche über Adrienne Haven gehört hatte, war ein Wort zu kurz gekommen: das Wort ›schön‹. Es drängte sich Mike auf wie ein Filmtitel auf der Leinwand. Es schwand erst wieder, als die Frau Platz genommen hatte und ihn ansah. Normalerweise brachte Adriennes Make-up die Augen besonders zur Geltung, der Rest des Gesichts blieb blaß, die Lippen hell. Aber irgend etwas war durcheinandergeraten. Die Lider waren zu dunkel, die Wimpern dick und verschmiert, die Pupillen unnatürlich glänzend. Dann fiel Mike ein, daß Nancy einmal gesagt hatte, Tränen seien das schlechteste Augen-Make-up … Weinte Adrienne noch immer ihrem toten Gatten nach?
    »Louise«, fing die Frau an, räusperte sich dann, »Louise Capice meinte, ich solle mit Ihnen sprechen.«
    »Worüber?« fragte Mike.
    »Über den Mann, den die Polizei wegen des Mordes an meinem Gatten festgenommen hat. Tony Jerrick.«
    Mike nahm einen Bleistift und spielte damit.
    »Ja, ich habe davon gehört. Man hat ihn in Detroit verhaftet.«
    »Er war nicht auf der Flucht. Er hatte geschäftlich dort zu tun.«
    »Ich bin wirklich kaum darüber informiert«, sagte Mike.
    »Louise meinte … Polizeichef Marceau ist angeblich ein guter Freund von Ihnen.«
    »Ja. Aber das heißt nicht, daß er mir immer alles anvertraut. Daß Tony Jerrick verhaftet wurde, weiß ich, weil ein diesbezüglicher Bericht in der Abendausgabe der ›Monticello News‹ steht. Und das weiß ich auch nur, weil der Chefredakteur zufällig mein Schwiegervater ist.«
    »Und wissen Sie auch, daß Tony – daß Mr. Jerrick sich weigert, einen Rechtsanwalt zu nehmen?«
    »Nein«, sagte Mike. »Das ist mir neu.«
    »Es stimmt«, betonte Adrienne. »Sie werden zugeben, daß er da sehr unvernünftig handelt.«
    »Schon aus Berufsgründen muß ich das zugeben.« Mike lächelte. »Natürlich braucht er einen Anwalt. Aber falls es zum Prozeß kommt und er weigert sich noch immer, wird das Gericht einen Pflichtverteidiger benennen. So funktioniert das System.«
    »Das genügt nicht. Man spricht von vorsätzlichem Mord, Mr. Karr. Er braucht den besten Rechtsbeistand, den er bekommen kann. Jemanden wie Sie.«
    Mike ließ den Bleistift auf die Schreibunterlage fallen. »Mrs. Haven, beabsichtigen Sie etwa, mich für Tony Jerrick zu engagieren?«
    »Nicht, daß er mich darum gebeten hätte …«
    »Aber Sie fühlen vor?«
    »Ja«, gab die Frau zu, und auf ihre blassen Wangen trat plötzlich Farbe. »Ich habe Louise gefragt, ob Sie mich anhören würden, und sie meinte, ja, sicherlich. Wie gesagt, ich handle nicht in
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