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Die siebte Gemeinde (German Edition)

Die siebte Gemeinde (German Edition)

Titel: Die siebte Gemeinde (German Edition)
Autoren: Stefan Link
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geachtet. In ihrer bisherigen Aufregung hatte sie ihn vollkommen überlesen.
    »[email protected]«, las sie laut vor. »Nein, die habe ich noch nie vorher gesehen. Aber von diesen Adressen gibt es ja massig. Meine erste Adresse laute damals Emma999. Wer auch immer Matteo ist? Klingt irgendwie italienisch.«
    Emma blickte Walter von der Seite an. »Na gut, ich will dir mal glauben.« Sie deutete zur Tür. »Dann muss ich mir wohl den üblichen Verdächtigen Nummer zwei zur Brust nehmen.«
    Auch Christoph konnte sich ein Lachen nicht unterdrücken. »Ich schwöre.« Er hob feierlich seinen rechten Arm. »Ich habe mit der Sache nichts zu tun.«
    Enttäuscht und wütend zugleich setzte Emma ihre Arbeit fort. Sie musste noch eine Masse an Belegen überprüfen. Eine Tätigkeit, die sie bei Antiquitätenbetrieben hasste. An- und Verkaufsrechnungen mussten miteinander abgeglichen werden. Aus Zeitmangel beließ sie es bei Stichproben. Mit Kleinigkeiten konnte sie sich nicht abgeben, die Abgabefrist würde sie sonst niemals einhalten können. Ihre Auswahl richtete sich auf die hohen Beträge. Da gab es zum einen den Verkauf einer Kirschholz-Kommode, oder den eines handbemalten Porzellantellers aus der Zeit Napoleons. Ebenso erzielten die Veräußerungen einer Bronzestatue sowie die einer alten Bibel, die auf das 18. Jahrhundert datiert wurde, beträchtliche Gewinne.
    Emma schlug in Eile einen Ordner auf, um nach einem Beleg zu suchen, da bemerkte sie einen kleinen braunen Umschlag, der hinter einem Ankaufschein heftete. Während sie ihn abreißen wollte, fiel ein Fetzen Papier heraus. Verwundert nahm sie das unscheinbare Stück in die Hand. Es war etwa halb so groß wie ein Geldschein und eindeutig sehr alt. Von der Zeit gezeichnet, war es bräunlich verfärbt und wies Schimmelflecken auf. Emma erkannte auf einer Seite merkwürdige Schriftzeichen, die sich an den ausgerissenen Stellen im Nichts verloren. Entziffern konnte sie die Worte nicht.
    Emma spürte, wie sich ihre Haare am Arm aufrichteten. Unweigerlich musste sie an die E-Mail denken.
    »Verlorenes Buch«, murmelte sie.
    Erneut untersuchte sie das altertümliche Dokument. Wenn Emma die leeren Stellen zwischen den Schriftzeichen richtig deutete, könnte es sich um vier Worte gehandelt haben. Eindeutig zu wenig, um eine Brisanz zu besitzen, entschied sie, geschweige denn, dass es sich um ein Buch handelte, was gerade vor ihr lag. Wie im Rausch blätterte sie den gesamten Ordner durch, um noch ähnliche Dokumente zu finden. Ihr Herz schlug bis zum Hals, und ihre Hände waren feucht vor Aufregung. Weitere Funde blieben ihr jedoch verwehrt. Nichts außer den üblichen Rechnungen und Ankaufscheinen.
    Emma rief sich die Nachricht auf den Bildschirm und überlegte, ob sie eine Antwort an den fremden Absender formulieren sollte. Doch was sollte sie schreiben? Würde die Mail Matteo überhaupt erreichen? Nach einer kurzen Überlegung, den Fetzen noch immer in der Hand haltend, verzog sie ihre Miene zu einem sarkastischen Grinsen.
    »Das ist doch albern, was du hier treibst«, brummte sie. »Du solltest weniger Krimis schauen. Wahrscheinlich ist es nur ein bescheuertes Stück Papier, das aus Versehen in die Unterlagen gerutscht ist.«
    Sie legte das Fundstück beiseite und beschloss, ihre Arbeit fortzusetzen. Aber ein konzentriertes Arbeiten fiel ihr ungemein schwer. Ständig wurde sie durch ihre wirren Gedanken abgelenkt. ›Wer ist dieser Matteo? War da gestern Abend jemand auf der Veranda? Was sind das für Schriftzeichen auf dem Papier? Warum sollte sie die Nummer zwei sein?‹
    Das Klingeln des Telefons holte sie in die Realität zurück. Mit einem schnippischen »Ja!« nahm sie den Hörer ab, um sich in der nächsten Sekunde über ihren Tonfall zu ärgern. Auf der anderen Seite der Leitung befand sich Winfried Carl, einer der Seniorpartner. Er bat sie nach oben in den vierten Stock. Mürrisch legte Emma die Ordner beiseite, packte den Fetzen Papier zurück in den Umschlag und verließ das Büro Richtung Chefetage.
    Der vierte und gleichzeitig oberste Stock des Gebäudes war ausschließlich den Seniorpartnern vorbehalten. Dort befanden sich deren Büros sowie die beiden Konferenzsäle. Emma betrat das Büro von Winfried Carl, nachdem sie ein forsches »Herein« auf der anderen Seite vernommen hatte. Winfried Carl saß breitschultrig hinter seinem Schreibtisch. Wolfgang Menner, der zweite Seniorpartner, stand mit finsterer Miene unmittelbar an seiner Seite. Er hatte die
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