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Die siebte Gemeinde (German Edition)

Die siebte Gemeinde (German Edition)

Titel: Die siebte Gemeinde (German Edition)
Autoren: Stefan Link
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Aufräumarbeiten vergessen haben. Selbst aus dieser Entfernung meinte Pardus, das Blut an dem Seil erkennen zu können.
    Ein eiskalter Schauder lief ihm über den Rücken, als er daran dachte, wie man seinem Bruder mit einer heißen Klinge die Augen ausgestochen hatte. Erhitzt im Feuer seiner eigenen Schmiede. »Damit du nicht sehen musst, was wir mit deiner Frau anstellen«, hatten sie ihm lachend zugerufen und das Eisen unvermittelt in dessen Augen gestoßen. Nun lag Godilas dort unten. Tot. Direkt neben seiner Frau, der sie das Dilemma zu verdanken hatten. Dabei hatten sie ihr verboten, auf die Straße zu gehen. Doch Agnella hatte ihren eigenen Willen und kümmerte sich nicht um die mahnenden Worte ihres Mannes.
    ›Mögen sie in Frieden ruhen‹, dachte Pardus und bekreuzigte sich.
    Der Kreuzritter stand noch immer mit dem Strick in der Hand auf der Wiese. Er war in voller Kampfmontur gekleidet. Er trug ein Kettenhemd, dessen Kapuze er über seinen Kopf gezogen hatte. Darüber einen knielangen Waffenrock, der mit einem farbenprächtigen Wappen versehen war. An seiner linken Körperseite steckte ein Schwert, und zur Rechten trug er einen kurzen Dolch. Der Mann schaute sich in sämtliche Himmelsrichtungen um, schüttelte dann seinen Kopf, schleuderte den Strick auf den Boden, schwang sich zurück auf seinen Gaul und verschwand mit seinen Gefährten Richtung Konstantinopel.
    Wenige Augenblicke später erhob sich Arusch aus seiner Deckung und rannte den Berg hinauf. Bei Pardus angekommen, warf er ein paar Kleidungsstücke vor ihm auf den Boden.
    »Die werden wir anziehen«, sagte er entschlossen. »Morgen früh werden wir als Ritter verkleidet in die Stadt gehen.«
    Pardus zog verzweifelt seine Stirn in Falten. »Sagst du mir wenigstens, was du dort willst? Bevor ich sterbe, möchte ich zumindest wissen, wofür.«
    »Das wirst du noch rechtzeitig erfahren.«
    Arusch kramte ein Stück Brot sowie Käse aus seinem Vorratssack und reichte es Pardus. »Lass uns etwas essen. Morgen wird ein anstrengender Tag.«
    Pardus griff dankend nach dem Essen und stellte keine weiteren Fragen.
    »Aus welchem Land stammen die Ritter?«, fragte Arusch, nachdem sie fertig gegessen hatten.
    »Sie kommen aus verschiedenen Regionen. Die meisten sind, glaube ich, Franken. Auf jeden Fall waren es die Fünf, die dort unten liegen.«
    »Ich habe gehört, dass du die Sprache der Franken verstehst. Du musst sie mir heute Abend beibringen.«
    Pardus schlug sich lachend auf die Schenkel. »Ja, selbstverständlich! Jetzt hast du vollkommen den Verstand verloren. Ich habe Jahre gebraucht, um ein paar Worte zu beherrschen, und du willst in einer Nacht die ganze Sprache erlernen.«
    »Nicht die gesamte Sprache, du Narr«, entgegnete Arusch. »Nur ein paar Worte. Die Wichtigen. Ich spreche bereits drei Sprachen und kann schreiben, da wird mir diese Frankensprache schon nicht sonderlich schwerfallen.«
    »Wenn du meinst«, nickte Pardus. »Versuchen können wir es.«
     
    Am nächsten Morgen warfen sie sich die Kleidung der Ritter über. Sämtliche Proteste seitens Pardus hatten keinen Erfolg. Arusch musste zwar zugeben, dass sein neuer Begleiter in den Sachen unnatürlich wirkte - sie spannten diesem am Bauch, reichten dafür bis über seine Knie hinaus - war aber trotz allem bereit, das Risiko einzugehen. Arusch gab Pardus einen aufmunternden Klaps, und sie marschierten los.
    In den Soldatenlagern vor der Stadt herrschte reges Treiben. Ritter liefen betrunken und laut singend umher. Einige lagen auf dem Boden und schliefen ihren Rausch aus, den leeren Becher noch in der Hand umklammert. Hinter einem Zelt fanden Ringkämpfe statt, wo Männer mit freiem Oberkörper ihre Kraft unter Beweis stellten. Überall trieben sich Dirnen herum, die geschäftig ihrer Tätigkeit nachgingen. Keiner in dem Lager schien sich für die zwei Fremden zu interessieren.
    »Sie feiern ihren Sieg«, flüsterte Pardus verbittert. Arusch nickte stumm.
    Nach endlosen Minuten passierten sie die letzten Zelte und standen vor der imposanten Stadtmauer. Die mannshohen Zinnen des byzantinischen Bollwerks ragten bedrohlich wie Raubtierzähne in den Himmel empor, und in Abständen von 150 Fuß blickte man auf gigantische Türme.
    Arusch konnte sich kaum vorstellen, dass eine solch massive Festung überhaupt bezwungen werden konnte. Unbeirrt folgten sie der Mauer Richtung Süden und sahen nach kurzer Zeit eines der fantastischen Stadttore Konstantinopels. Das Tor wurde von zwei Türmen
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