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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe
Autoren: Arena
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unvergleichlichen Farbkombination Lila und Gelb, meine Eltern ein fix und fertig ausgefülltes Anmeldeformular für die Fahrschule. Die theoretische Fahrprüfung war ein Klacks, ich be stand sie mit null Fehlern. Dafür brachte ich meinen Fahrlehrer in den ersten paar praktischen Fahrstunden an den Rand des Wahnsinns, und zeitweise war ich mir sicher, dass ich das nie lernen würde, zu lenken und zu schalten und auf den Verkehr zu achten und auf die Straßenschilder und wer Vorfahrt hatte, und das alles auf einmal! Irgendwann platzte der Knoten aber doch noch und ich bestand mit nur einer Fahrstunde mehr als vorgeschrieben die Prüfung auf Anhieb. Doch ehe das geschafft war, an einem heißen Mittwoch zwei oder drei Wochen vor dem Ende des Schuljahrs, wurde ich nach der zweiten Stunde aufs Rektorat bestellt. Mir war unwohl zu Mute, während ich das Schulhaus durchquerte, und fragte mich, was ich angestellt haben mochte. Aber siehe da, der gestrenge Herr Rektor war gar nicht anwesend, nur die Schulsekretärin. »Ein dringender Anruf für Sie«, sagte sie. »Von der Universitätsklinik.« Sie schob mit besorgter Hilfsbereitschaft einen Stuhl ans Telefon. »Vielleicht setzen Sie sich besser hin.« Ich bekam einen ziemlichen Schreck. Universitätsklinik? War meiner Mutter oder meinem Vater etwas zugestoßen? Ich setzte mich und griff nach dem bereitliegenden Hörer, als sei er ein Tier, das mich beißen würde, wenn ich es falsch anfasste. »Ja?« »Hallo? Marie?«, vernahm ich eine Stimme, die mir bekannt vorkam.
    »Am Apparat. « Eine Pause, als müsste das Telefonnetz erst Atem holen. »Marie, hier ist Armand. « »Armand?!« Ich riss Mund und Augen auf . Die Sekretärin verstand meine Reaktion natürlic h ganz anders. Sie sah mich mitfühlend an und sagte : »Ich hole Ihnen rasch ein Glas Wasser. Fallen Sie mi r bloß nicht vom Stuhl. « »Armand!«, flüsterte ich, als sie draußen war. »Du ? Wo bist du? Wie geht es dir? Was soll das heißen, Universitätsklinik? « »Das habe ich nur gesagt, damit sie dich ans Telefo n holen. « »Was? Aber wieso . . .? « »Mir ist nichts anderes eingefallen. Zu Hause konnt e ich dich nicht anrufen. Euer Telefonanschluss wir d garantiert abgehört. « Die Sekretärin kam zurück und reichte mir ein Gla s Wasser. Dann stellte sie sich wieder an die Tür un d beobachtete mich fürsorglich, als befürchte sie, ic h könnte jeden Augenblick in Ohnmacht sinken . »Ich nehme an, es ist noch jemand im Zimmer, der alles hören kann, was du sagst«, fuhr Armand fort . »Ja«, nickte ich . »Das habe ich mir gedacht. Gut, es wird schon gehen . Ich wollte dir nur sagen, dass ich ihnen tatsächlic h entkommen zu sein scheine. Es war gefährlich un d sehr anstrengend und ist eine lange Geschichte, doc h jetzt ist es vorbei. Seit ein paar Monaten lebe ich hier , weit weg, habe eine Arbeit und verdiene ganz gut. Und ich genieße es, frei zu sein. Es ist schön.« Ich schluckte. »Das freut mich für dich«, sagte ich. Er war also irgendwo im Ausland. Dieses Gespräch musste ihn ein kleines Vermögen kosten. »Wie ist es dir ergangen? Bist du gut zurück nach Hause gekommen?«, wollte er wissen. »Gut, ja«, beeilte ich mich zu sagen. »Mir geht es gut, doch. Es ist alles . . . gut.« Nichts war gut. Seine Stimme zu hören war, als würde eine Wunde in mir aufgerissen. Er seufzte. »Ohne dich hätte ich es nicht geschafft, weißt du? Wenn du nicht gewesen wärst . . . Ich weiß immer noch nicht genau, was du eigentlich gemacht hast, aber jedenfalls wollte ich mich bedanken.« »Keine Ursache«, sagte ich und fügte rasch hinzu: »Ich habe es gern getan.« »Tut mir Leid, dass ich dich mit dem Anruf erschrecken musste.« »Schon gut. Kein Problem.« Wollte die gute Frau eigentlich den ganzen Tag da an der Tür stehen bleiben? Hatte sie nichts anderes zu tun? »Ich, ähm – ich hätte nicht erwartet, noch mal von dir zu hören.« »Ja«, sagte er. Ich spürte, wie er zögerte. »Marie«, fuhr er schließlich fort, »ich muss dir noch etwas sagen.« »Was denn?«, fragte ich. Ich glaube, an dieser Stelle höre ich besser auf, denn was danach kam, geht eigentlich niemanden etwas an, nur Armand und mich. Nur so viel sei noch gesagt: Das, was er mir sagte – und das, was ich darauf antwortete – ist der Grund dafür, dass ich hier sitze und schließlich all das niedergeschrieben habe. Es ist auch der Grund dafür, dass jetzt, in dem Moment, da ich diese letzten Zeilen schreibe, drüben auf meinem
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