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Die seltene Gabe

Die seltene Gabe

Titel: Die seltene Gabe
Autoren: Arena
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vrai?«, versetzte der grauhaarige Mann. »Wir haben alles mit angehört. Armands Schwächeanfall. Wie Sie das Haus gefunden haben. Sie, Marie, haben gesagt: ›Dann lass uns einbrechen.‹ Wir haben alles gehört, weil Sie das Telefon in der Tasche hatten und es die ganze Zeit eingeschaltet war.« Er hob es hoch. Sein Display war blind. »Sehen Sie? Über Nacht ist es leer gelaufen.« Für einen Moment verschlug es mir die Sprache. Für einen Moment zweifelte ich an meinen eigenen Erinnerungen. Der Hagere lächelte wie jemand, der bei einem Kartenspiel einen Stich gemacht hat. »Armand, dites-moi. Dass sie Juliens Telefon in der Tasche hatte, das haben Sie nicht gewusst, Armand, habe ich Recht?« Armand schüttelte den Kopf. »Non«, sagte er tonlos. »Pas du tout.«
    Auf einmal begriff ich, was hier gespielt wurde. Warum der Hagere Armand diese Lügen auftischte. Sie hatten uns gefunden, weil es Pierre gelungen war, meine Gedanken aufzuspüren. So weit, so schlecht. Bloß ging es darum überhaupt nicht. Was der grauhaarige Geheimdienstler wollte, war, Armand wieder einzuwickeln. Er wusste, dass sie keine Chance hatten, Armand auf Dauer in ihrem Institut festzuhalten, wenn es gegen seinen Willen war – deshalb musste er Armands Willen beeinflussen. Ihn wieder in das alte Spiel hineinziehen. Ihn überzeugen , dass in Wirklichkeit sie seine besten Freunde waren , die Einzigen, denen er wirklich vertrauen konnte. Ih n so weit bringen, dass er freiwillig mit ihnen zurückging . Das war der Grund für diese ganze Geschichte. E r wollte uns auseinander bringen. Armand sollte sic h von mir betrogen und verraten fühlen. Er sollte ihne n wieder vertrauen . Und für sie zum Mörder werden .

Kapitel 18 |
    Inzwischen war der Konvoi in eine Stadt geraten. Da ich kaum auf die Umgebung geachtet und das Ortsschild nicht gesehen hatte, weiß ich nicht, in welche, nur dass gerade Mittagszeit war und Berufsverkehr, denn wir gerieten in einen Stau und blieben stecken. Alte Häuser und neu errichtete Geschäftshäuser drängten sich am Rand der viel zu engen Straße, jede Menge roter Ampeln war da und Reklametafeln und Fußgänger in Eile, die zwischen den wartenden, qualmenden Autos hindurch die Straßenseite wechselten, und wir mittendrin. »Qu’est-ce qui se passe?«, brummte der Hagere und spähte unleidig hinaus. »Sagen Sie«, wandte er sich dann an den Fahrer, »dieser Wagen hat kein Blaulicht, wie?« Der Mann am Steuer schüttelte den Kopf. »Zu riskant,«, sagte er. »Darf in Deutschland nur die Polizei und so weiter benutzen.« »D’accord.« Der Hagere zog eine kompliziert gefaltete Landkarte aus dem Türfach, griff nach dem Mikrofon des Funkgeräts und fing an, mit irgendjemandem auf Französisch zu beratschlagen. Ich war immer noch völlig durcheinander und meine Gedanken schlugen Haken wie Kaninchen auf der Flucht vor einer Hundemeute, aber ich konnte von meiner Position aus die Bewegungen sehen, die er mit dem Finger auf der Karte machte. Anscheinend ging es darum, eventuell die Fahrtroute zu ändern. Ich schaute genauer hin und entdeckte, wohin die Reise gehen sollte: über die tschechische Grenze. War das nicht eigenartig? Wieso über die Grenze? Und wieso über diese Grenze? Wäre nicht der sinnvollste Weg der zum nächsten Flughafen gewesen, um Armand nach Frankreich zurückzufliegen? Das konnte nur bedeuten, dass die Agenten, die Männer, die uns aufgestöbert, überfallen und fortgeschleppt hatten, illegal in Deutschland waren. Nur dann ergab diese Fahrtroute Sinn. Es ging ihnen darum, Armand so schnell und unauffällig wie möglich aus Deutschland herauszubringen. Und es erklärte, warum sie davor zurückschreckten, sich mit Blaulicht freie Bahn zu verschaffen. Der Hagere palaverte noch immer. Ich griff nach Armands Hand, umklammerte sie so fest, dass er zusammenzuckte und mich ansah, ungehalten, aber er sah mich an, hörte mir zu. »Alles, was er angeblich gehört haben will, hat in Wirklichkeit Pierre in meiner Erinnerung gelesen«, raunte ich ihm zu. »Julien konnte sein Handy im Zug nicht benutzen. Wahrscheinlich war sein Akku schon eine ganze Weile leer. Du kannst mir glauben oder ihm, aber wenn du ihm glaubst, wird er dich so weit bringen, dass du Levroux tötest.«
    Armand blinzelte, schien wie aus einer Art hypnotischer Starre zu erwachen. »Was?« Durch die Bewegung, die er machte, streifte mein Unterarm die Tasche meiner Jeans und einen kleinen, zylindrischen Gegenstand darin, und mir fiel das
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