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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman
Autoren: PeP eBooks
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unterzeichnet, Brüssel signiert mit einem doppelten ›B‹, Enghien mit ›E‹ und Paris mit einem ›P‹. Höchste Zeit, dass auch Tours die Arbeiten, die von hier stammen, mit seinem Anfangsbuchstaben signiert.«
    »Dazu habt Ihr kein Recht.«
    Jetzt ließ Gauthier seine Arbeit ruhen und kam mit drohender Miene näher. Seine Kampflust war geweckt. So war das nun einmal in jeder Zunft: Entweder man hielt zusammen, oder man bekämpfte sich bis aufs Blut.
    »Was wollt Ihr denn, Mortagne? Warum habt Ihr es nicht vor ihr gemacht?«
    Der Auftrag von Seigneur de La Tournelle, der erst nach Jacquous Abreise fertiggestellt wurde, hatte Alix ziemlich übermütig gemacht. Es war ihr eigenmächtiger Entschluss gewesen, auf jedem Wandteppich ein »T« anzubringen. Hätte Jacquou sich ebenso dazu entschlossen? Die Frage hatte ihr zum Glück keiner gestellt, und Alix hatte sich trotz Gauthiers Zweifeln für das »T« entschieden. Nun nahm er sie dafür in Schutz.
    »Diese Maßnahme hätte von allen Webern aus Tours gemeinsam beschlossen werden müssen.«
    »Ich bitte Euch, Mortagne, werdet jetzt nicht lächerlich«, spottete Gauthier. »Ihr solltet schließlich am besten wissen, dass Ihr als einer der größten Weber der Stadt als Erster von dieser Entscheidung
profitieren werdet. Außerdem ist es nun einmal nicht mehr zu ändern, mein Lieber. In der Geschichte der Weberzunft von Tours wird es heißen, dass die ersten signierten Tapisserien aus Tours auf den Webstühlen von Meister Cassex angefertigt wurden.«
    Mortagne lief allmählich rot an.
    »Niemals hätte der kleine Jacquou es gewagt, uns so etwas anzutun! Sie hat einfach seine Abwesenheit ausgenützt, um uns um unser rechtmäßiges Privileg zu bringen.«
    »Welches Privileg denn?«, rief Alix, die mittlerweile auch vor Wut kochte. »Vielleicht das Vorrecht des Stärkeren? Ich staune, Meister Mortagne, was wird denn dann aus dem Zusammenhaltsgefühl der Gildemitglieder?«
    »Die Zunftmitglieder gehen Euch gar nichts an, weil Ihr kein Meister seid, soweit ich weiß«, höhnte Mortagne. »Ihr seid nur die Frau von einem Meister und habt lediglich das Recht, die Werkstatt während seiner Abwesenheit in Betrieb zu halten - nicht aber das Recht, irgendwelche Entscheidungen zu treffen.«
    »Meinetwegen, ich habe es aber getan.«
    »Das wird Euch teuer zu stehen kommen, meine Kleine!«, zischte er verächtlich. »Ich werde einen Prozess anstrengen, Ihr werdet das ›T‹ von diesen Tapisserien wieder entfernen müssen.«
    Dann trat er, zufrieden über seine Worte, ein paar Schritte zurück, deutete zornig mit dem Finger auf sie und schimpfte:
    »Was erlaubt Ihr euch eigentlich? Ihr, die Frau von einem kleinen, unbedeutenden Weber!«
    Gauthier erkannte, dass sich hier ein Krieg anbahnte. Alix war leider viel angriffslustiger als Jacquou - das hatte sie in der Vergangenheit zur Genüge bewiesen. Sie würde auf keinen Fall klein beigeben, während ihr Gegner auf den Sieg bestand.
    »Ein kleiner, unbedeutender Weber, habt Ihr gesagt!«, sagte
Gauthier und durchbohrte Mortagne mit Blicken. »Der Sohn von Pierre de Coëtivy soll ein kleiner Weber sein!«
    Mortagne legte die Stirn in Falten und sah ihn fragend an.
    »Ja, sein Sohn!«, wiederholte Gauthier. »Das wisst Ihr wohl nicht. Jacques Cassex, den ich ausgebildet habe und der diesen Beruf mit allem, was dazu gehört, erlernt hat, um es zu dem zu bringen, was er erreicht hat, ist der leibliche Sohn von Pierre de Coëtivy.«
    Mortagne erholte sich leider sehr schnell von dieser Überraschung.
    »Monsieur de Coëtivy scheint Euch ja nicht besonders dankbar zu sein, nachdem Ihr jetzt hier anzutreffen seid!«
    »Unsere Meinungsverschiedenheiten gehen Euch nichts an.«
    »Oh doch, wenn sie meine Angelegenheiten betreffen schon! Und wenn es hier einen Weber gibt, dem es ansteht, als Erster mit unserem ›T‹ zu unterzeichnen, dann bin das ich - und sonst keiner!«
    »Womit wir wieder beim Anfang wären, Mortagne! Ihr beansprucht dieses Vorrecht für Euch allein.«
    Nun mischte sich Mortagnes Begleiter, der sich bis dahin zurückgehalten hatte, in die Unterhaltung ein.
    »Komm schon, es hat keinen Sinn. Lass uns gehen«, schlug er Mortagne vor. »Wir regeln das auf andere Weise. Diese Frau wird sich nicht behaupten.«

2
    Auf Chinon wurde die Familie d’Angoulême standesgemäß mit allem Pomp vom königlichen Paar empfangen, obwohl Louis XII. sich genau genommen als Einziger über ihre Ankunft zu freuen schien.
    Schottische Garde
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