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Die seidene Madonna - Roman

Die seidene Madonna - Roman

Titel: Die seidene Madonna - Roman
Autoren: PeP eBooks
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bedauerte Alessandro, dass er die Kutsche weggeschickt hatte.
    Da nahm sie ihm so schnell den vollen Krug wieder aus der Hand und leerte ihn auf einen Zug, dass er gar nichts dagegen machen konnte.
    »So!«, sagte sie. »Jetzt können wir gehen«, und fiel ihm in die Arme. Er fing sie auf und drückte ihren warmen, bereiten Körper an sich. Aber in diesem Zustand der Euphorie, in dem sie wohl allen Sinn für Realität verloren hatte, wollte er Alix nicht nehmen. Sie sollte sich ihm bei vollem Bewusstsein und ganz freiwillig hingeben, verliebt und nicht von zu viel Bier umnebelt.
    »Bitte tragt mich, Alessandro«, sagte sie wieder, »dann komme ich überallhin mit Euch. Meinetwegen auch an die Loire.«
    Dann kicherte sie vergnügt und schmiegte sich an ihn.
    »Ihr riecht so gut, Alessandro!«, flüsterte sie und versuchte sich aufzurichten, sank aber gleich wieder in seine starken Arme.
    »Oh, bitte, Alessandro, können wir uns nicht ein wenig ans Ufer der Loire legen? Mir ist so heiß.«
    Er brachte sie bis ans Ufer der Deûle und sagte ihr nicht einmal, dass sie die Flüsse verwechselte. Am schwarzen Himmel über ihnen funkelten Millionen Sterne, und eine sanfte Brise wehte erfrischend. Er legte sie auf feuchtes Moos, das im Mondlicht seltsam weiß schimmerte. Dann streckte er sich neben ihr aus und wartete. Ein paar Minuten später war sie eingeschlafen.
    Als Alix aufwachte, fuhr sie beim Anblick des Sternenhimmels über sich erschrocken hoch. Dann entdeckte sie Alessandro, der mit dem Rücken an eine dicke Eiche gelehnt dasaß und sie ansah. Ob er auch geschlafen hatte? Hatte sie sich zu Liebesspielen hinreißen lassen, an die sie sich jetzt nicht mehr erinnern konnte? Hatte sie ihn geliebt? Sie griff sich an die Stirn, weil sie starke Kopfschmerzen hatte.

    »Alessandro!«, flüsterte sie.
    Mit einem Satz war er bei ihr und sagte nur:
    »Ich bringe Euch zurück in Euer Gasthaus.«
    Und weil sie ratlos wirkte, fügte er hinzu:
    »Macht Euch keine Gedanken, heute Nacht ist nichts geschehen. Ihr habt die ganze Zeit geschlafen, und ich habe Euch nicht angerührt. Aber ich hatte ausreichend Gelegenheit, Euch im Sternenlicht zu bewundern. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele Sterne auf einmal gesehen zu haben.«
    »Aber …«
    Er kam näher und küsste sie zärtlich.
    »Ihr seid noch nicht bereit, Alix. Das habt Ihr mir doch selbst gesagt. Ihr braucht noch Zeit. Ich habe Euch den ganzen Abend beobachtet. Ihr habt absichtlich so viel Bier getrunken, um in euphorische Stimmung zu kommen, damit Ihr nicht darüber nachdenken konntet, wozu Ihr Euch zwingen wolltet. So stelle ich mir das aber nicht vor. Ich bin nicht Albrecht Dürer.«
    Sofort bereute er es, diesen Namen erwähnt zu haben.
    »Verzeiht mir. Das war sehr dumm von mir.«
    »Nein, es war gar nicht dumm, sondern die Wahrheit. Ich habe getrunken, um zu vergessen.«
    »Wenn Ihr in meinen Armen liegt, sollt Ihr weder an Euren Jacques noch an irgendeinen anderen Mann denken.«
    »An einen anderen! Das kann ich gar nicht«, sagte Alix leise. »Außer diesem Maler, der meine Schwäche ausgenützt hat, hat es nie einen anderen Mann gegeben.«
    »Ist das wirklich wahr?«
    Er sah eine Träne in ihrem Auge. Mit seinen zärtlichen Lippen trank er die Träne, und mit seinen sanften Fingern streichelte er ihr Gesicht.
    »Ich will, dass Ihr mich nur um meiner selbst willen liebt, Alix.
Könnt Ihr das verstehen? Wenn Euch das nicht möglich ist, müssen wir es hierbei belassen. Ihr bekommt von mir Eure Wechsel, und wir sehen uns nie wieder.«
    »Ja, das verstehe ich«, antwortete sie.
    »Ich möchte Euch einen Vorschlag machen. Ich lasse Euch die Wechsel morgen von Collas in Euer Gasthaus bringen. Wenn Ihr unsere beginnende Romanze lieber gleich wieder beenden wollt, gebt ihm einen Brief, in dem Ihr mir schreibt, dass Ihr mich nicht wiedersehen wollt. Dann löse ich mich in Luft auf, versprochen. Seid unbesorgt.«
    »Und was soll ich machen, wenn es nicht so ist?«
    »Steigt so schnell es geht zu mir in meine Kutsche und schickt Eure eigene nach Tours. Dann brechen wir sofort nach Brügge auf, wo wir sehr viel zu erledigen haben.«
    Alix hatte ihre Entscheidung bereits getroffen. Sie würde Angelas und Julios Vorschlag beherzigen. Die beiden sollten mit Leo nach Tours fahren, und sie wollte mit Alessandro nach Brügge.
     
    So war das Leben nun einmal - die einen wurden geboren, die anderen mussten sterben, und nun gehörte Jacquou zu den für immer Gegangenen. Alix
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