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Die Sehnsucht ist größer

Die Sehnsucht ist größer

Titel: Die Sehnsucht ist größer
Autoren: Andrea Schwarz
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seinen Abschluß finden - im Gottesdienst und dann in »meiner Kirche« in Rosheim -, der innere Weg wird weitergehen.
     
    Obersasbach, 20.00 Uhr
    Dieser Gott hört mit dem Schenken gar nicht mehr auf...
    Bis ich im Elsaß war, hatte sich der Himmel so zugezogen, daß ich doch per Auto auf den Odilienberg gefahren bin. Dort war es so voll, wie ich es noch nie erlebt habe - aber das hat mich heute nicht gestört. Die vielen Menschen können dem Berg nichts nehmen - der hat was. Und ich bin einfach gerne dort oben.
    Um 15.00 Uhr wurde die Vesper auf französisch gebetet -und ein Psalm auf deutsch. Das war schön.
    Danach bin ich nach Rosheim gefahren. Die schöne romanische Kirche dort ist mir in den letzten Jahren wichtig geworden, mit ihr verbinden mich sehr tiefe Erfahrungen.
    Ich wollte dort einfach nochmal »Dankeschön« sagen für dieses Geschenk des camino. Noch bei der Fahrt hatte ich gedacht: Schau mal, ob es irgendwann ein Konzert in dieser Kirche gibt, vielleicht klappt’s ja, und du kannst hinfahren. Und im Schaukasten fand ich eine Vorankündigung für ein Konzert mit der Schola der Hedwigs-Kathedrale in Berlin, das mir gut paßte.
    Als ich in die Kirche hineinging, gibt es eine erste Überraschung: Dort war eine Lichtobjekt-Ausstellung. Auf den Steinmauern in der dunklen Kirche wirken die Kunstwerke aus Licht faszinierend - und vermitteln mir ein ganz neues Bild von dem Raum, den ich so gut zu kennen meinte.
    Und in zwanzig Minuten beginnt tatsächlich ein Konzert für Orgel und Querflöte. Ich bin vollkommen überrascht und freue mich - und als die ersten Töne der Orgel erklingen, die ich in dieser Kirche noch nie gehört habe, kommen mir wieder die Tränen.
    Ich hatte »danke« sagen wollen in dieser Kirche - und werde wieder beschenkt. Ich hatte in der Stille beten wollen - und um mich herum ist es voll von Menschen. Ein kleines Mädchen turnt auf »meiner« Säule herum - und ich denk mir nur: Das paßt! Abschluß des camino in dieser Kirche, mit diesem Geschenk - und inmitten der Menschen - nicht allein und meditativ-versunken, sondern gerade so. Draußen platscht der Regen herunter, die Kirche birgt und schützt, und dann kommt doch die Sonne durch, scheint durch die Rosette, bricht sich das Licht in Farben...
    Der camino hat seine Überraschungen - aber diese Kirche hat sie auch. Und es ist gut zu wissen, daß es all diese Überraschungen nicht nur in Nordspanien gibt, sondern auch hier im Elsaß und genausogut in Freimersheim, mitten in meinem Alltag.
    Ich werde zunehmend sicherer: Lebendigkeit hat was mit Haltung und Einstellung zu tun - und der camino kann ein verdichtetes Einübungsfeld dafür sein: eine Sehnsucht in mir spüren, den Träumen trauen, ihnen Raum geben - und eine Chance. Die Sicherheiten aufgeben, loslassen, aufbrechen - auf sein Wort hin. Mich spüren im Unterwegs-Sein, an Grenzen kommen, mit ihnen leben lernen. Gipfelmomente des Seins, der Lebendigkeit - und doch nicht festhalten. Gott vertrauen - und mich selbst drum kümmern, wo die nächste Bar ist. Vor dem Neuen, Fremden und Anderen keine Angst haben, sondern mich riskieren und erfahren. Offen sein für das, was ich nicht erwartete - und das Berechnen sein lassen. Staunend bleiben, Ehrfurcht haben vor allem Lebendigen, danken können, nichts als selbstverständlich annehmen. Mich als geliebt zu erfahren -und mich in das Leben zu verlieben. Mich in Gott verlieren, um mich zu finden.
    Der camino kann helfen, diesen Weg zum Leben zu lernen -aber wer auf dem camino dies gelernt hat, der weiß, daß die Sehnsucht über Santiago & Co. hinausreicht. Der camino geht weiter, mitten im Alltag. Und er muß dort seinen Ort finden und sich verweisen lassen auf etwas, das über all das hinausgeht.
    »Wohl den Menschen, die Pilgerwege in ihrem Herzen tragen« (Ps 84,6 nach E. Zenger) - ihre Sehnsucht ist größer...
     

Heilige Nächte
     
     
    Endlose Weite
    in die ich mich
    verlieren will
    und kann
     
    am dunklen Himmel
    das Sternbild des Orion
    Wolkenfetzen
    vom Mond geheimnisvoll erhellt
     
    Schnee blinkt
    auf den Feldern
    vom Dunkel
    verzaubert
     
    und ich
    laß mich
    berühren
    und bin
     
    rauh
    karg
    und herb
    und doch voll Zartheit
     
    bewegt
    berührt
    verletzbar
    und stark zugleich
     
    irgendwas
    ist
    anders
    geworden
     
    Advent 97
     

Wie dieses Buch entstanden ist.
     
    Als ich während meiner sechswöchigen Pilgerwanderung Tagebuch geschrieben habe, habe ich es für mich geschrieben. Ich wollte meine Gedanken,
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