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Die Sehnsucht ist größer

Die Sehnsucht ist größer

Titel: Die Sehnsucht ist größer
Autoren: Andrea Schwarz
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ankommen. Aber auch das ist gut so.
    In der Lesung des heutigen Tages heißt es: Eure Liebe sei ohne Heuchelei. Verabscheut das Böse, haltet fest am Guten. Seid einander in brüderlicher Liebe zugetan, übertrefft euch in gegenseitiger Achtung! Laßt nicht nach in eurem Eifer, laßt euch vom Geist entflammen und dient dem Herrn! Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet! Helft den Heiligen, wenn sie in Not sind, gewährt jederzeit Gastfreundschaft! Segnet eure Verfolger, segnet sie, verflucht sie nicht. Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden! Seid untereinander eines Sinnes, strebt nicht hoch hinaus, sondern bleibt demütig. Haltet euch nicht für weise! Vergeltet niemand Böses mit Bösem! Seid allen Menschen gegenüber auf Gutes bedacht! Soweit es euch möglich ist, haltet mit allen Menschen Frieden! (Röm 12, 9-18)
    Das könnte ein Lebensprogramm sein...
     
     

Donnerstag/Freitag, 3./4.7.
     
     
    Santiago, 24.00 Uhr
    Und da sitze ich vor dieser wunderschönen Kathedrale -und weine...
    Ich nehme Abschied von diesen sechs Wochen, Abschied vom camino, Abschied von Santiago, Abschied von Martin. Alles vermischt sich - und allem ist gleich, daß es nicht festzuhalten ist.
    Vieles in mir ist sehr, sehr weich, sehr berührbar. Und ich habe viel geweint heute abend.
    Fast hat der Krach hier im Hotel schon wieder gut getan. Vorhin haben wir gezahlt, da die Bar morgen erst ab 9.00 Uhr geöffnet hat. Die Chefin hat noch gefragt, ob wir drei oder vier Nächte hier waren. Und soviel Spanisch kann ich inzwischen schon wieder, daß ich das verstehe. Ich sage »drei« - und zahle den gesagten Preis. Als wir vom Abendessen zurückkommen, fängt uns eine Angestellte im Flur ab. Aus Versehen hätte uns die Chefin nur zwei statt drei Nächte berechnet. Nachdem wir wußten, was die anderen hier im Hotel bezahlen, ahnte ich, daß der Chefin inzwischen eingefallen war, daß sie uns mal einen höheren Zimmerpreis gesagt hatte. Ich wurde schlichtweg sauer, hatte keine Lust mehr zu diskutieren, verstehe absolut kein Wort Spanisch mehr, schimpfe auf englisch und deutsch vor mich hin. Ich drücke der Frau das Geld in die Hand, weil ich einfach keine Lust habe, mir meine Stimmung kaputt machen zu lassen und denk mir nur: Schade, so ein Abschluß der Tage hier in Santiago hätte nicht sein müssen. Andererseits: Der Ärger bringt mich ganz gut aus meiner berührbaren Stimmung wieder in die Realität zurück - und hat mir eben auch dabei geholfen, den Rucksack zu packen.
    Diese Aktionen haben wieder ein bißchen Boden unter die Füße gebracht. Aber ich kann mir immer noch nicht vorstellen, in 8 1/2 Stunden Santiago wieder zu verlassen.
     
     

Freitag, 4.7.
     
     
    Im Zug, 11.30 Uhr
    Es ist ein seltsames Gefühl, mit dem Zug durch diese nordspanische Landschaft zu fahren. In mir ist ein bißchen Traurigkeit, ein wenig Melancholie, fast kann ich mir nicht vorstellen, erst in sieben oder acht Jahren wieder auf dem camino zu sein,...
    Immer wieder tauchen Szenen, Bilder, Landschaften, Gesichter auf...
    Ich lese im kleinen Wanderführer die Strecke nochmal nach. Wieviel sicherer ist man am Schluß doch geworden im Umgang mit den Refugios, Bars, Supermercados,... - wenn ich da an die ersten Tage zurückdenke,...
    Grad habe ich nochmal die Strecke von Roncesvalles nach Zubiri gelesen - mit welcher Selbstverständlichkeit würde ich heute auf die Straße wechseln, wie unbedarft war ich damals noch, wie sehr hab ich mich mit diesen Schlammwegen abgequält. Wieviel sicherer bin ich doch in der Handhabung der Wanderführer geworden, was hab ich mir alles an praktischen Fähigkeiten draufgeschafft - und jetzt ist das alles nicht mehr gefragt...
     
    Im Zug, 15.15 Uhr
    Es ist seltsam, mit dem Zug jetzt nochmal an einigen Stellen des caminos vorbeizufahren - Astorga, Villadangos, León, die Strecke, die ich mit Martin gegangen bin, die Autobahnbrücke, da, wo ich mich verlaufen hatte,...
    Damals war hier alles sattgrün, inzwischen reift das Getreide und gibt der Landschaft einen gelb-braunen Anstrich.
     
    Im Zug, 20.00 Uhr
    Pilgern heißt für mich nach diesen Tagen: »Mich festma-chen in Gott und aufgrund dessen neu in Bewegung kommen...«
     
     

Samstag, 5.7.
     
     
    Im Zug von Paris nach Straßburg, 12.00 Uhr
    Der camino geht weiter. Nachdem Maria in Burgos Abschied von Pete genommen hat, der von dort aus wieder zurück nach Holland wandert, kam sie zu uns ins Abteil, um sich ein
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