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die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin

Titel: die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin
Autoren: Jeri Smith-Ready
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„Ich hasse es.”
    Niemand hörte ihren letzten Satz, oder wenn doch, ließen sie es sich nicht anmerken. Galen schob seinen Stuhl über den Boden zurück und stand auf.
    „Wirst du mir helfen, Rhia?”, fragte Galen. „Kommst du und siehst dir meinen Bruder an?”
    Sie blickte zu ihm auf und zitterte. „Ihr wollt, dass ich es mit einem Menschen versuche?”
    „Das ist deine Gabe”, sagte er. „Du hast die Gabe der Krähe.”

2. KAPITEL
    A ls sie sich dem Haus von Dorius, Galens älterem Bruder, näherten, dämmerte es bereits. Tereus war zu Hause geblieben, um sich um eine Stute zu kümmern, die kurz vor dem Abfohlen stand, aber Rhias Mutter ging neben ihr und hielt die Hand ihrer Tochter so fest, dass die ihre Mutter zweimal daran erinnern musste, sie nicht zu zerquetschen. Galen schritt ihnen eilig voraus, während Areas hinter ihnen hertrödelte. Rhias Beine schmerzten, aber wenn sie sich beschwerte, machte Mayras Aufregung alles nur noch schlimmer. So sah sie sich nach einer Ablenkung um.
    Stille legte sich über das Dorf Asermos, auch wenn noch ein paar Dutzend Menschen über die breite Hauptstraße eilten, die an dem schläfrigen Fluss vorbeiführte. Ponys und Esel zogen ratternde Karren, auf denen Säcke voller Wolle, Korn oder frühem Frühlingsgemüse lagen. Die Tiere trotteten die sandige Straße hinab bis dorthin, wo die Boote im Hafen dümpelten. Kleine Gruppen aus Zechern gingen ihren Weg von einer Taverne zur nächsten, und einige von ihnen scherzten in Dialekten, die Rhia zuvor kaum gehört hatte. Jetzt, da der Fluss genug aufgetaut war, um eine Uberfahrt zu garantieren, erweckte das im Winter aufgestaute Bedürfnis nach Waren und Gesellschaft das Dorf zum Leben.
    Nahe dem Eingang zur Taverne „Zum Fangzahn” lehnte ein großer, breitschultriger Mann am Gebäude aus Stein und Putz und rauchte eine Pfeife. Ein scharfer holziger Geruch ließ Rhia die Nase rümpfen, als sie vorbeigingen. Sie sah sich noch einmal nach ihm um. Sein glattes blondes Haar war im Nacken zu einem kurzen Knoten gebunden, und seine Augen funkelten im Licht der Laterne, während er die Stadt missbilligend betrachtete. Eine maßgeschneiderte Weste aus Brokatsamt und das lange, elegante Schwert an seiner Hüfte ließen ihn nicht nur in Asermos, sondern in der ganzen Gegend fehl am Platz wirken. Die grobe, einfache Kleidung ihrer eigenen Leute passte zu ihrem ländlichen Leben, und niemand würde es sich einfallen lassen, eine Waffe so leichtfertig wie ein Taschentuch zu tragen. Außerdem trug der Fremde keinen Fetisch, den Rhia erkennen konnte. Missbilligend runzelte sie die Stirn.
    Die Alten sprachen oft von Männern aus dem fernen Süden – Nachfahren nannte man sie -, denen es an magischen Kräften fehlte und die menschengemachte Götter verehrten. Die Erinnerung an die imposante Gestalt des Mannes blieb, bis sie die schmale Straße erreichten, in der Dorius lebte.
    Sie hatte Dorius mehrere Monate lang nicht gesehen. Er hatte schon über ein Jahr unter Muskelzuckungen und Schwäche gelitten, ehe er letzten Herbst bettlägerig geworden war. Als sie noch ein Kind gewesen und mit Areas gekommen war, um mit seinen Vettern zu spielen, hatten Dorius und seine Frau Perra immer dafür gesorgt, dass die Jungen Rhia bei ihren Spielen nicht ausschlössen.
    Ihre Schritte wurden langsamer, als sie sich der Tür des blassgrün verputzten Hauses näherten. Was, wenn sie Dorius’ Tod sah? Wie konnte sie diesem freundlichen Mann, der vorzeitig gealtert war, in die Augen sehen und ihm sagen, dass keine Hoffnung bestand? Sie sprach ein stummes Gebet zu Krähe, dass er sein Leben und ihren Verstand beschützen möge.
    Galen klopfte an die dunkle Holztür, die sich sofort öffnete. Perra nickte jedem von ihnen zu, ohne ein Wort zu sagen. Ihre großen grauen Augen waren voller Sorge. Es schien ihr schwerzufallen, ihre Gesichtszüge neutral zu halten, als sie Rhia ansah.
    Das Bett stand an der gegenüberliegenden Wand auf einem geschnitzten Holzrahmen. Eine dürre Gestalt zeichnete sich unter der Decke ab. Galen führte Rhia ans Bett und legte seinem Bruder die Hand auf die Schulter.
    Dorius erwachte schnaufend und sah sich um. Sein Blick aus trüben braunen Augen ruhte auf Rhia, und sie ließ den Atem, den sie seit ihrem Eintreten angehalten hatte, aus. Der schwache Klang von Flügelschlagen war nicht zu überhören. Der Tod des Mannes stand weder kurz bevor noch war er unumgänglich.
    „Wir warten draußen”, flüsterte Galen.
    Nachdem
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