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Die Seele des Ozeans

Die Seele des Ozeans

Titel: Die Seele des Ozeans
Autoren: Britta Strauß
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und wusste, wie hilflos er sich fühlte.
    Empathie selbst für fiktive Buchfiguren.
    Aus diesem Roman stammte also sein Name. Ein seltsames Gefühl. Fast war es, als lese er eine Geschichte über sich selbst. Im Altdänischen bedeutete Kjell Quelle , das hatte Fae ihm verraten. Auf Norwegisch wiederum umschrieb es ein Opfergefäß. Aber warum war ihre Wahl ausgerechnet auf diesen Namen gefallen?
    Eine Quelle und ein Opfer.
    Er war sich sicher, dass eine tiefere Bedeutung dahinter lag. Morgen früh würde er Fae danach fragen, obwohl die Wahrscheinlichkeit groß war, dass er nur Schweigen oder einen undurchschaubaren Blick ernten würde. Gedankenverloren strich er über das Buch und dachte an das Gefühl, verlassen worden zu sein. Seine längste Beziehung hatte neun Monate gedauert. Die Liebe zwischen der deutschen Biologiestudentin Emma und ihm war gewachsen, wie eine Zelle zu einem Kind heranwuchs.
    Aber dann, im neunten Monat, war alles vorbei gewesen. Emmas Liebe war nicht stark genug gewesen, sie über die drei Wochen seiner Abwesenheit hinweg zu trösten. Er war von seiner Reise zum Great Barrier Reef zurückgekehrt, um eine leere Wohnung vorzufinden. Mit schwarzem Stift hatte sie das Wort „Sorry“ an der Pinnwand am Kühlschrank hinterlassen. Mehr war ihm nicht von Emma geblieben.
    Noch am selben Tag hatte er unter ihre Worte ein „Nevermore“ gekritzelt.
    Kjell blickte nach links, wo ein großer Spiegel an der Wand neben dem Kleiderschrank hing. Er beobachtete sich selbst, wie er auf dem Bett hockte, den Rücken gegen das Gestell gelehnt, die Beine angezogen, das Buch auf den Knien.
    Emma hatte geschworen, er sei ein Kandidat für eine steile Modelkarriere, aber Kjell war sich sicher, dass sie maßlos übertrieben hatte. Er fand seine schwarzen Locken zu wirr und widerspenstig, seine Haut zu blass und seine Hände zu zierlich. Lieber hätte er die schmalen Lippen seiner Mutter geerbt, und mit diesen großen dunkelblauen Augen würde er es nie schaffen, verwegen dreinzublicken. Eher brachte er den Hundeblick zur Perfektion.
    Kjell zwinkerte sich selbst zu, bleckte die Zähne und drehte sein Gesicht hin und her. Mit welchem deutschen Schauspieler hatte Emma ihn nochmal verglichen? Mit dem jungen … wie hieß er noch gleich? Ah ja, der junge Horst Buchholz. Na, wenn sie meinte.
    So sehr Emmas Entscheidung auch geschmerzt hatte, ein Verlust wie der im Buch war um vieles schlimmer. Angus hatte Fiona geliebt, und sie hatte ihn geliebt. Unzählige gemeinsame Träume und Pläne waren auf einen Schlag vernichtet worden. Ihm war wenigstens die Gewissheit geblieben, dass Emma nicht sonderlich unter ihrem Verlust gelitten hatte. Immerhin war es ihre freie Wahl gewesen.
    „Mutation“, murmelte Kjell in Gedanken an die sonderbare Verwandlung. „Faszinierend, Mum. Vermutlich stellt das Gallertwesen eine Kolonie aus symbiotisch lebenden Einzellern dar, die die menschliche DNA umschreiben.“
    Er suchte eine neue Position, drehte sich auf die Seite und stützte sich mit dem Ellbogen ab. Auf der nächsten Seite stand geschrieben:
    Kapitel II – Kjells Befreiung.
    Das Raunen des Windes und das beruhigende Ticken der Wanduhr in den Ohren, blätterte er um und las weiter.
     

Kapitel II
Kjells Befreiung
~ Angus, Juni 1982 ~
    E in Geräusch riss ihn aus seinem Whiskeyschlaf. Es war so leise, dass er zuerst glaubte, es sei nur der Wind, der um das Haus strich. Doch dann wiederholte es sich. Er hörte leises Knarzen unter vorsichtigen Schritten. Jede Stufe der Treppe gab ihren eigenen Laut von sich, und deshalb sah Angus vor seinem inneren Auge, wie Kjell zu fliehen versuchte.
    Dieser dumme, verfluchte Junge!
    Augenblicklich war er hellwach und fuhr im Bett hoch. Eine Klinge schien sich in seine Schläfe zu bohren und auf der anderen Seite wieder auszutreten. Bei allen Teufeln, diese Kopfschmerzen brachten ihn nochmal um. Schlimmer waren nur noch die Schmerzen in seinen Gelenken, die zu toben begannen, kaum dass er sich bewegte. Verflucht und zugenäht! Hatte er dem Bengel nicht genug gedroht? Hatte er ihm nicht genug grauenvolle Geschichten über das erzählt, was da draußen auf ihn wartete? Wut klärte seine whiskeytrunkenen Gedanken. Sie steigerte sich zu einem Zorn, in dem nur noch ein Wissen klar hervortrat: Dieses Wesen hatte Fiona getötet, und es versuchte, ihn an der Nase herumzuführen. Angus sprang aus dem Bett und stürzte zur Tür hinaus. Ein Vorschlaghammer ersetzte die Klinge und drosch mit brachialer
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