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Die See des Schicksaals

Die See des Schicksaals

Titel: Die See des Schicksaals
Autoren: Michael Moorcock
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folgten und sahen, daß er auf der Schwelle eines weiteren Saales stand. Hier war der Boden allerdings knöcheltief von den Fetzen eines dünnen metallischen Materials bedeckt, das so biegsam war wie Pergament. In den Wänden gähnten viele tausend kleine Löcher, in unzähligen Reihen, und über jedem Loch war ein Symbol eingezeichnet.
    »Was ist das?« fragte Smiorgan.
    Elric bückte sich und hob einen Fetzen auf. In das Stück war ein halber melniboneischer Buchstabe eingraviert; jemand hatte sogar versucht, das Symbol unleserlich zu machen.
    »Die Bibliothek«, sagte er leise. »Die Bibliothek meiner Vorfahren. Jemand hat sie vernichten wollen. Die Schriftrollen müssen praktisch unzerstörbar gewesen sein, der Unbekannte hat sich aber große Mühe gegeben.« Er bewegte den Fuß durch die metallischen Fetzen. »Unser Freund - oder unsere Freunde - scheinen jede Bildung zu hassen.«
    »Offensichtlich«, sagte Avan bitter. »Was diese Schriftrollen einem Gelehrten bedeuten würden! Alles vernichtet!«
    Elric zuckte die Achseln. »Ins Nirgendwo mit dem Gelehrten - sie hatten für mich einen erheblichen Wert!«
    Smiorgan legte dem Freund die Hand auf den Arm, doch Elric schüttelte sie ab. »Ich hatte gehofft.«
    Smiorgan legte den kahlen Kopf auf die Seite. »So wie es sich anhört, sind uns die Reptilien ins Gebäude gefolgt.«
    Aus den Gängen hinter ihnen war das Getrappel nackter Füße zu hören.
    Die kleine Gruppe bewegte sich so leise wie möglich durch die zerstörten Schriftrollen, bis sie auf der anderen Seite des Saals einen weiteren Korridor erreichte, der steil nach oben führte.
    Plötzlich schimmerte Tageslicht.
    Elric sah nach vorn. »Der Korridor ist versperrt. Sieht so aus, als kämen wir nicht weiter. Das Dach ist eingebrochen, vielleicht können wir durch das Loch fliehen.«
    Sie stiegen über die Trümmer, wobei sie sich immer wieder besorgt nach den Verfolgern umsahen.
    Endlich erreichten sie den Hauptplatz der Stadt. Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich die Füße der Riesenstatue, die hoch über ihnen aufragte.
    Unmittelbar vor ihnen waren zwei seltsame Gebilde zu sehen, die im Gegensatz zu den Bauwerken völlig unbeschädigt zu sein schienen. Sie besaßen Kuppeln und Facetten und bestanden aus einer glasartigen Substanz, in denen sich das Sonnenlicht brach.
    Unten im Gang hörten sie die Reptilienwesen näherkommen.
    »Wir suchen in der nächsten Kuppel Schutz«, sagte Elric. An der Spitze der Gruppe setzte er sich in Bewegung.
    Die anderen folgten ihm durch die unregelmäßig geformte Öffnung am Fuße der Kuppel.
    Drinnen zögerten sie jedoch, blinzelnd, die Hände vor die Augen legend, in dem Versuch, ihre Umgebung auszumachen.
    »Wie ein Irrgarten aus Spiegeln!« sagte Smiorgan atemlos. »Bei den Göttern! Einen besseren Irrgarten habe ich nie gesehen. Ob das wirklich ein Irrgarten sein soll?«
    Korridore schienen sich in alle Richtungen zu erstrecken - und doch konnte es sich nur um Spiegelungen des Gangs handeln, in dem sie sich befanden. Vorsichtig rückte Elric tiefer in das Gewirr vor, gefolgt von den fünf anderen Männern.
    »Dies riecht nach Zauberei«, brummte Smiorgan. »Ob man uns hier in eine Falle gelockt hat?«
    Elric zog das Schwert. Es murmelte leise, fast widerwillig.
    Plötzlich verschob sich die ganze Welt, die Gestalten seiner Begleiter verdunkelten sich.
    »Smiorgan! Herzog Avan!«
    Er hörte Stimmengemurmel, doch es waren nicht die Stimmen seiner Freunde.
    »Graf Smiorgan!«
    Doch schon verblaßte der stämmige Meereslord völlig - Elric war allein.

6
    Er machte kehrt. Eine rotstrahlende Wand erhob sich vor ihm und blendete ihn.
    Er schrie auf, und seine Stimme wurde zu einem dünnen Klagelaut, der ihn zu verspotten schien.
    Er versuchte sich zu bewegen, doch er wußte nicht zu sagen, ob er an derselben Stelle verharrte oder ein Dutzend Meilen zurücklegte.
    Plötzlich stand jemand einige Meter vor ihm, wie von einem Schirm aus durchscheinenden bunten Edelsteinen verdeckt. Elric trat vor und machte Anstalten, den Schutzwall fortzuschieben, doch schon verschwand das Gebilde von allein. Er hielt inne.
    Sein Blick fiel auf ein Gesicht, das einen Ausdruck unendlicher Trauer zeigte.
    Und das Gesicht war sein eigenes, nur war die Hautfarbe des Mannes normal und sein Haar schwarz.
    »Wer bist du?« fragte Elric mit schwerer Zunge.
    »Ich habe schon viele Namen geführt. Einer lautet Erekose. Ich bin schon viele Menschen gewesen. Vielleicht vereine ich alle
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