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Die Schule der Nackten

Die Schule der Nackten

Titel: Die Schule der Nackten
Autoren: Ernst Augustin
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Wagenräder).
    München hat sein eigenes Klima, warm, etwas scharf und sehr mittelalterlich, welches daher rührt, daß die gesamte Stadt durchgehend auf Gewölben aufgebaut ist, auf einer unterirdischen Ebene von Hohlräumen. Klafterdick gemauerte Pfeiler tragen Kirchen, Torbögen, Frauentürme, Rathäuser, auch die Bierhäuser, die bezeichnenderweise Bierkeller heißen, obwohl sie sich oben befinden. Die Pfeiler selbst sind so breit und stehen so dicht, daß bisweilen nur einzelne Personen zwischen ihnen hindurchgehen können, weshalb das ganze Viertel der «Oanser» heißt, besetzt mit engen Zeitungsständen und Tabakläden, während sich andernorts auch wieder ganze Hallen mit hohen Decken auftun, ganze Märkte, ganze Eßstraßen, Feststädte.
    Im Winter ist es warm hier unten, herunten, so daß die Leute mit aufgeknöpftem Hemd herumlaufen, im Sommer aber luftig kühl, und das rührt vom rechten Isararm her, der noch eine Etage tiefer unter der Innenstadt vom Isartor bis zum Donisl fließt, hier für doppelte Kühle sorgend. Angenehm für jemanden, der einen Sonnenbrand mit sich herumträgt. So wie ich an diesem Morgen.
    Saß hier vor meinem Bier und litt.
    Ja, da war es wohl nichts mit dem Badengehen. Am Morgen, als ich aufwachte, hatte ich sofort den sandigen Schmerz auf Schultern und Rücken gespürt. Hatte sowieso schlecht geschlafen, mit einem Reibeisen anscheinend, das sich irgendwo im Bett befand, beim Aufwachen merkte ich dann, wo.
    Jetzt ging ich äußerst vorsichtig mit mir um, trug ein ganz leichtes Seidenhemd, das auf der Haut fast nicht vorhanden war und trotzdem kratzte, drei Tage lang. War aber nicht unproduktiv während dieser drei Tage, ich schrieb fast ein ganzes Kapitel meiner «Kinder Sems» und lernte, sie bei dem ausgesprochen schönen Wetter, das draußen herrschte, von Herzen hassen.

    *

    Aber am vierten Tag schien die Sonne immer noch, und wir sollten wohl einem Jahrhundertsommer entgegengehen. - Im Jakobi-Bad bezog ich einen sicheren Platz im Schatten eines großen Holunderbusches weiter hinten im Gelände, hatte ihn so berechnet, daß die Sonne auf ihrem Halbkreis erst am späten Nachmittag auf mich treffen würde. Verhielt mich insofern vernünftig, zudem ich hier ein gutes Beobachtungsfeld vor mir hatte.
    Ich war während meines Krankenlagers den vielfältigsten Vorstellungen erlegen, wie es geschieht, wenn die Physis gezwungenermaßen untätig ist: Man versteht, Vorstellungen bizarrer Art, die aber mein Denken herausforderten. Ich will nicht drum herumreden: Es handelte sich um Erektionen während des Krankenlagers, stimuliert möglicherweise durch das vermehrte Hitzegefühl. Wie ist es möglich, hatte ich mich gefragt, daß ein moderner Mensch in unserem Zeitalter, ausgestattet mit einem Arsenal von Bildung, Disziplin und was weiß ich für übergeordneten Fähigkeiten, daß er diesem Mechanismus völlig ausgeliefert ist. Jeder Steuerung unfähig. Gerade eben, daß ein paar Viagras erfunden wurden, und auch die nur durch Zufall.
    So fühlte ich mich gewissermaßen auf Grund meiner neuerlichen Erfahrungen als – – ja, als Wissenschaftler gefordert, daß ich nun den Badebetrieb nach meiner erzwungenen Pause mit etwas anderen Augen sah. Zum Beispiel lag da nicht weit von meinem Standpunkt ein junges Paar im Gebüsch. Geschützt, doch nicht vollends verborgen - jedenfalls einsehbar -, wobei der glückliche, oder soll ich sagen, unglückliche junge Mann anscheinend einige Mühe hatte, seine Zuneigung zur Angebeteten einigermaßen im Zaum zu halten. Bitte das jetzt zu verstehen, ich war keineswegs voyeuristisch interessiert, nahm allerdings das sachte Größerwerden und, nach einem Ruck, Kleinerwerden des Organs zur Kenntnis. Um dann, nach einer Pause, wieder größer zu werden. Das Organ. Dabei befanden sich die beiden nur im Gespräch, nur ruhend, allenfalls mit leiser Seitenberührung, und es handelte sich auch nicht um ein Hochstehen, nur um le ises Schwellen. Und Abschwellen. - Währenddessen die junge Dame eigentlich unbeteiligt, jedenfalls nicht sichtbar beteiligt daneben lag.
    «Es ist», erklärte ich meinem Nachbarn zur Linken, «eine fast unfaire Einrichtung, mit der wir ausgestattet sind.»
    Ich vergaß, neben mir, ebenfalls im Schatten, lag ein netter gebildeter Herr. Das heißt, ich kannte seinen Bildungsgrad nicht, er war aber zumindest etwas Besseres, wenn man so etwas heutzutage noch sagen darf, aber er war es: ein bemerkenswert gepflegter rosiger Herr mit kleinen
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