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Die Schuld des Anderen

Die Schuld des Anderen

Titel: Die Schuld des Anderen
Autoren: Edgar Wallace
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Sekunde, denn die ›Seabreaker‹ hatte beigedreht. Helder zweifelte nicht daran, daß man Boote aussetzte, um Verity Bell aufzufischen.

29
    Verity lag in der Kabine der ›Seabreaker.‹ Sie fühlte sich noch sehr schwach, lächelte aber zufrieden, als sie die Augen aufschlug. Neben ihr saß Comstock.
    Der Dampfer hatte die Fahrtrichtung geändert und fuhr jetzt den Strom hinauf. Gold, der neben dem Kapitän auf der Brücke stand, sprach kein Wort. Er hatte alle Küstenstationen benachrichtigt und war gespannt, ob es noch gelingen würde, das Motorboot aufzuhalten. Auch die französischen und belgischen Küstenstationen waren bereits alarmiert.
    Draußen heulte ein starker Nordwestwind.
    Verity hatte Comstock schon eine Zeitlang aus halbgeschlossenen Augen betrachtet, noch bevor er merkte, daß sie wieder zum Bewußtsein gekommen war. Sie sah die harten Linien, die der Gefängnisaufenthalt in seinem Gesicht hinterlassen hatte, las aber auch Befriedigung und Erleichterung in seinem Blick.
    Was sollte nun werden? Was mochte ihr die Zukunft bringen? Irgendeine Lösung mußte man finden - so oder so.
    Mit einem Lächeln öffnete sie die Augen ganz.
    »Nun?« fragte sie freundlich.
    »Du bist wohl überrascht, mich hier wiederzusehen?«
    Eine merkwürdige Scheu hielt ihn davon ab, sie bei ihrem Namen zu nennen.
    »Nein …« Sie schwieg lange. »Mein Onkel … Ist er -tot?«
    Bell nickte traurig.
    »Ich habe es befürchtet«, sagte sie leise. Tränen traten ihr in die Augen. »Er war sehr gut zu mir. Jetzt bin ich…«
    Sie brach ab und weinte fassungslos.
    »Du wolltest sagen, daß du jetzt ganz allein bist.« Comstock Bell nahm ihre Hand in die seine. »Und doch hast du kein Recht dazu - wir sind verheiratet.«
    Sie sah an ihm vorbei.
    »Es wäre mir lieber gewesen, du hättest es jetzt nicht erwähnt. Was ist das schon für eine Ehe, die wir führen!«
    Er nickte. Beide schwiegen. Das gleichmäßige Stampfen der Maschinen ließ ab und zu die Fensterscheiben erzittern.
    »Du hast recht«, antwortete er endlich. »Aber glaubst du denn, eine Scheidung wäre der einzige Weg für uns? Sicher, du wärst damit einverstanden, weil du denkst, ich wollte dich wieder loswerden … Sag, glaubst du das wirklich?«
    »Nein, eigentlich nicht - und doch, ich kann nicht einfach deine Frau bleiben, nur weil ich einmal Gelegenheit hatte, dir zu helfen. Reden wir doch ganz offen darüber -schließlich haben wir einander nicht aus Liebe geheiratet. Als ich erfuhr, daß du für Willetts ins Gefängnis gehen wolltest, um euer beider Schuld zu sühnen, dachte ich mir, daß auch ich meinen Teil dazu beitragen könnte. Anstelle meines Onkels wollte auch ich etwas gutmachen … Und jetzt, jetzt muß ich daran denken, daß ich mich irgendwann einmal doch auch verlieben könnte …«
    Sie senkte den Blick.
    »So darfst du nicht reden!« widersprach er heftig. »Vielleicht haben wir uns nicht geliebt, als wir uns heirateten - inzwischen aber ist viel Zeit vergangen, und ich wußte schon im Gefängnis, daß ich nicht mehr ohne dich leben kann. Du sagst, es könnte sein, daß du dich einmal verliebst - willst du dich dann nicht in mich verlieben?«
    Sie erwiderte nichts, mußte aber ein wenig lächeln.
    »Du hast ein großes Risiko auf dich genommen für mich«, fuhr er, mutiger geworden, fort. »Willst du nicht noch ein bißchen mehr riskieren? Versprich mir, daß du dich, wenn du dich einmal verliebst, in mich verliebst!«
    Sie schaute ihn lange an, dann drückte sie seine Hand.
    »Ja, ich will es tun.«

30
    In der Nordsee kämpfte sich ein Motorboot durch einen Sturm, der ständig heftiger wurde. Die drei Männer an Bord taumelten hin und her. Helder und Tiger Brown hielten beide krampfhaft das Steuer umklammert.
    »Sehen Sie sich die Wellen an! Das Wetter wird immer schlimmer!« brüllte Brown.
    Der Sturm riß ihm die Worte vom Mund.
    Helder schüttelte verbissen den Kopf.
    »Wir sind alle drei keine Seeleute - wenn es so weitergeht, bleibt uns nichts übrig, als umzudrehen!«
    Das Motorboot zitterte in allen Fugen, als eine mächtige Welle den Bug in einen gischtenden Schaumberg verwandelte.
    Verzweifelt schaute Helder zurück. Am Horizont sah er gerade noch den gelben Lichtstreifen des Leuchtschiffes, das sie an der Themsemündung passiert hatten.
    Eine neue Welle traf das Boot von der Seite, so daß es sich bedenklich umlegte. Es hatte keinen Sinn, sie konnten die Fahrt über den Kanal jetzt nicht wagen.
    »Wir müssen umkehren«,
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