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Die schoensten Weihnachtsgeschichten

Die schoensten Weihnachtsgeschichten

Titel: Die schoensten Weihnachtsgeschichten
Autoren: Hans Fallada
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schluckend. »Komm, wir stellen uns einen Augenblick an das Schaufenster.«
    »Aber warum weinst du denn? Wieso quäle ich dich denn? Sag doch, Hildeken, ich versteh ja nichts.«
    »Nichts, nichts«, sagte sie, schon wieder lächelnd. »Jetzt reib ich mich nur ein bißchen ab und schnaub die Nase …«
    »Aber ich möchte doch gerne …«, fing er hartnäckig wieder an.
    »Bitte nicht«, sagte sie. »Wir wollen heute doch lustig sein.«
    Und sie waren es dann auch. Denn im Café Berlin gabes einen herrlichen sächsischen Komiker, der so gut sächsisch sprach, daß man ihn sogar verstand, und der sie ununterbrochen lachen ließ, und eine Spitzentänzerin mit rasierten Achselhöhlen und weißgepuderter Brust – und eine ältere Dame sang ungemein freche Lieder …
    Sie saßen im Trubel, alles lachte, schrie, trank, jubelte. Konfetti hagelte, Papierschlangen hüllten sie ein, und sie saßen stocksteif, diese Zier nicht zu zerreißen. Dann spielte die Kapelle einen Tusch, und es war Mitternacht. Sie gaben sich feierlich die Hände.
    »Auf ein recht gutes Jahr, Hilde, für uns beide!«
    »Dir auch, mein Willi! Dir auch!! Ach, mein Willi!«
    Sie tranken noch einen kleinen Grog, und Hildes Backen fingen zu glühen an. Sie erzählte, kleines Geschwätz, Getratsch, was die eine ausgefressen und wie verrufen die andere war und was die dritte sich alles einbildete …
    »Aber ich bin auf keine neidisch. Wo ich meinen süßen Willi habe. Und jetzt noch einen süßen Willi – zwei süße Willis …«
    Sie lachte laut. Und wenn auch dies Geschwätz und Lachen im allgemeinen Trubel untergingen und kaum einer den Kopf nach den beiden an der Wand drehte – Kufalt war es doch peinlich, und doppelsinnig war es auch, das Gerede von den beiden süßen Willis, und nett war ihr Lachen auch nicht gewesen …
    »Komm, Hilde, wir gehen.«
    »Aber du kannst doch morgen ausschlafen!«
    »Wir gehen noch wohin, wo wir tanzen können.«
    »Fein«, sagte sie. Sie lachte. »In den Rendsburger Hof.« Ihre Augen funkelten wagemutig. »Da hast du wohl deine andere Braut, die du nicht zeigen willst?«
    Er fragte böse: »Und wen hast du im Café Zentrum?«
    Einen Augenblick war sie verlegen, dann lachte sie los.
    »Bist du eifersüchtig, armer Willi? Nein, du brauchst nicht eifersüchtig zu sein, ich bleib dir treu und laß mich nicht verführen …«
    Sie sang es nach einer Schlagermelodie.
    Leute umher lachten beifällig. »Das Mädchen ist richtig.«
    »Komm doch, Hilde«, bat er. Und dachte: Und hat sich doch von mir verführen lassen, und wenn von mir, ist auch jeder andere möglich …
    Eine tiefe Traurigkeit erfüllte ihn. Was hat das denn alles für einen Sinn! dachte er. Ich hab’ ja nichts mit ihr zu tun, ich mag sie nicht einmal gerne. Und weswegen denn alles? Wirklich nur, weil sie sich damals nicht mehr sehen ließ und weil ich ein bißchen Mitleid mit ihr hatte? Ach, nur das Fleisch, nur das Fleisch, bei jeder andern wäre es auch noch einfacher, und ich brauch’s nicht einmal, das Fleisch … Wenn man doch rauskäme, fortkäme, wegkäme … Dies geht im Leben nicht gut. Wenn man doch einmal ganz von frischem anfangen könnte …!
    »Woran denkst du?« fragte sie.
    »An nichts Besonderes«, antwortete er.
    Dann aber kamen sie doch nicht mehr zum Tanzen, sondern irgendwie landeten sie in einer kleinen Weinstubeund tranken noch eine Flasche Süßwein. Hilde war traurig gewesen und gereizt, übermütig, lustig und geschwätzig – jetzt, von der Flasche Wein, wurde sie einfach müde, todmüde, die Augen klappten ihr zu. »Bitte, bring mich nach Haus, Willi, bitte!«
    Vor der Haustür stand sie, beinahe wankend vor Schläfrigkeit, in seinem Arm.
    »Noch einen Kuß, Willi. Oh, bin ich müde!«
    »Ich aber auch«, sagte er.
    Es war, als ermuntere sie sich etwas. »Nicht wahr, du gehst gleich nach Haus, du gehst nicht mehr irgendwohin.«
    »Wohin soll ich denn jetzt noch gehen um vier? Ich hau mich sofort hin.«
    »Ganz bestimmt?«
    »Aber todsicher«, sagte er und versuchte zu lachen.
    »Gibst du mir dein Ehrenwort?«
    »Aber natürlich geb ich dir mein Ehrenwort. Ich geh gleich nach Haus.«
    Sie schwieg, irgendwie schien sie unzufrieden zu sein und nachzudenken.
    »Also, Hildeken«, sagte er und reichte ihr die Hand.
    Sie nahm ihn ganz fest in die Arme. »Mein Willi, mein lieber, süßer Willi …« Sie küßte ihn, sie flüsterte: »Komm doch mit, mein süßer Willi, die Eltern gehen nie in mein Zimmer …«
    »Nein, nein«, sagte er
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