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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens
Autoren: Jeff Lindsay
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obzwar ich nicht sonderlich schüchtern bin, ziehe ich es vor, meine wahren Errungenschaften vor den Blicken der Öffentlichkeit zu verbergen.
    Und falls Coulter die Dinge, die Weiss ausplaudern mochte, mit dem verband, was er seit dem Anblick des Videos vermutete, würde sich die Situation in Dexterville rapide verschlechtern.
    Es wäre wesentlich besser, wenn ich in der Lage wäre, Weiss persönlich zu stellen und die Dinge einvernehmlich zu regeln,
mano a mano
 – oder möglicherweise
cuchillo a cuchillo
 –, und das Problem von Weiss’ Mitteilungsdrang durch eine Fütterung meines Passagiers zu lösen. Doch in dieser Angelegenheit hatte ich keine echte Wahl – Coulter war dort gewesen und hatte alles gehört, und ich musste mitspielen. Schließlich war ich ein gesetzestreuer Bürger – streng genommen war ich das tatsächlich; es gilt doch: unschuldig, bis vor Gericht der Beweis des Gegenteils erbracht wird, richtig?
    Und es sah aus, als würde es genau dahin kommen, vor Gericht, mit Dexter in der Hauptrolle, gekleidet in einen orangefarbenen Overall und Fußfesseln, was wirklich kein Anlass zur Vorfreude war – Orange ist absolut nicht meine Farbe. Außerdem wäre eine Anklage wegen Mordes ein echtes Hindernis auf meinem Weg zum Glück. Ich hege keinerlei Illusionen über unser Rechtssystem; ich werde jeden Tag bei der Arbeit damit konfrontiert und bin sicher, es austricksen zu können, es sei denn, man erwischt mich auf frischer Tat und filmt mich, während eine Busladung US -Senatoren und Nonnen zuschauen. Doch allein die Anklage hätte eine peinlich genaue Überwachung zur Folge, die meinen spielerischen Aktivitäten ein Ende setzen würde, selbst wenn meine Unschuld bewiesen wurde. Man sehe sich nur den armen O. J. an; in seinen letzten Jahren in Freiheit konnte er nicht einmal Golf spielen, ohne dass jemand ihn irgendwelcher Dinge beschuldigte.
    Doch was konnte ich dagegen unternehmen? Meine Möglichkeiten waren äußerst beschränkt. Ich konnte Weiss entweder reden lassen, mit dem Ergebnis, dass ich in Schwierigkeiten steckte, oder ihn daran hindern – mit exakt demselben Resultat. Es führte kein Weg daran vorbei. Dexter stand das Wasser bis zum Hals, und die Flut stieg.
    Aus diesem Grund war es ein sehr nachdenklicher Dexter, der schließlich vor dem Gemeindehaus am Park vorfuhr. Die gute alte Megan war noch dort, hielt Cody und Astor an den Händen und hopste von einem Fuß auf den anderen in ihrem Bestreben, sie loszuwerden und sich in die aufregende Welt des Buchhaltungskurses zu stürzen. Sie alle schienen bei meinem Anblick äußerst erfreut, jeder auf seine eigene individuelle Art, was so befriedigend war, dass ich Weiss für volle drei oder vier Sekunden vergaß.
    »Mr. Morgan?«, sagte Megan. »Ich muss wirklich los.« Ich war so erstaunt, sie einen Satz vollenden zu hören, der keine Frage war, dass ich einfach nickte und Codys und Astors Hände aus ihren löste. Sie jagte hinüber zu einem kleinen verbeulten Chevy und raste im abendlichen Verkehr davon.
    »Wo ist Mom?«, wollte Astor wissen.
    Ganz gewiss existiert eine fürsorgliche, sensible und sehr menschliche Methode, Kindern mitzuteilen, dass ihre Mutter sich in den Klauen eines mörderischen Ungeheuers befindet, die ich jedoch nicht kannte, weshalb ich antwortete: »Der böse Mann hat sie. Der euer Auto gerammt hat.«
    »Der, den ich mit dem Bleistift erwischt habe?«, fragte Cody.
    »Genau.«
    »Ich hab ihm in den Schritt gehauen«, sagte Astor.
    »Du hättest fester zuschlagen sollen«, bemerkte ich. »Jetzt hat er deine Mutter.«
    Sie schnitt eine Grimasse, die mir zeigte, dass meine Trotteligkeit sie zutiefst enttäuschte. »Holen wir sie zurück?«
    »Wir helfen dabei. Die Polizei ist schon dort.«
    Die beiden sahen mich an, als wäre ich verrückt geworden.
    »Die
Polizei?
«, vergewisserte sich Astor. »Du hast die Polizei hingeschickt?«
    »Ich musste doch euch beide abholen«, entschuldigte ich mich, überrascht, auf einmal in der Defensive zu sein.
    »Du lässt den Typen
entkommen,
und er geht einfach nur ins
Gefängnis?
«, blaffte sie.
    »Ich musste«, sagte ich und hatte plötzlich das Gefühl, schon vor Gericht zu stehen und verloren zu haben. »Einer der Polizisten hat alles herausgefunden, und ich musste euch abholen.«
    Sie wechselten einen ihrer schweigenden, doch äußerst beredten Blicke, dann wandte Cody die Augen ab.
    »Nimmst du uns jetzt mit?«, fragte Astor.
    »Ja«, sagte ich, und es schien mir
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