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Die schöne Kunst des Mordens

Titel: Die schöne Kunst des Mordens
Autoren: Jeff Lindsay
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häufig«, gab ich zu. »Die Kinder sind Barney entwachsen.«
    »Die Werbung dafür läuft seit drei Wochen«, sagte er. »Für die Art Stravaganza.«
    »Die was?«
    »Die Art Stravaganza im Convention Center«, erklärte er und klang nun wie ein Werbespot. »Über zweihundert topaktuelle Künstler aus ganz Nordamerika und der Karibik, alle unter einem Dach.«
    Ich konnte spüren, wie mein Mund sich in dem vergeblichen Versuch bewegte, Worte zu formulieren, doch nichts drang heraus. Ich blinzelte und versuchte es noch einmal, doch ehe ich nur das leiseste Geräusch erzeugen konnte, ruckte Coulters Kopf in Richtung Tür, und er drängte: »Kommen Sie! Wir holen sie uns!« Er trat einen Schritt zurück. »Wir können hinterher darüber reden, warum der Mann vor der Badewanne so aussieht wie Sie.«
    Diesmal stellte ich wirklich beide Füße auf den Boden, gleichzeitig, bereit loszustürzen – doch ehe ich auch nur einen Schritt vorankam, klingelte mein Handy. Eher aus Gewohnheit denn aus anderen Gründen meldete ich mich: »Hallo?«
    »Mr. Morgan?«, fragte eine junge, erschöpfte weibliche Stimme.
    »Ja.«
    »Hier ist Megan? Von der Nachmittagsbetreuung? Die von, äh, Cody? Und Astor?«
    »Ach ja«, sagte ich, während im Erdgeschoss meines Hirns neuer Alarm schrillte.
    »Es ist schon fünf nach sechs?«, sagte Megan. »Und ich muss nach Hause? Weil heute Abend mein Buchhaltungskurs ist? Äh, um sieben?«
    »Ja, Megan. Wie kann ich Ihnen helfen?«
    »Hab ich das nicht gesagt? Ich muss nach Hause?«
    »Ja, schön«, erwiderte ich, während ich wünschte, ich könnte durchs Telefon langen und sie nach Hause schleudern.
    »Aber Ihre Kinder?«, sagte sie. »Ich meine, Ihre Frau hat sie nicht abgeholt? Deshalb sind sie noch hier? Und ich darf nicht gehen, solange noch Kinder hier sind?«
    Das schien eine ausgezeichnete Regel zu sein – zumal sie bedeutete, dass Cody und Astor sich noch dort befanden und nicht in den Klauen von Weiss. »Ich hole sie ab«, versprach ich. »Ich bin in zwanzig Minuten da.«
    Ich klappte das Handy zu und bemerkte, dass Coulter mich erwartungsvoll ansah. »Meine Kinder«, erklärte ich. »Ihre Mutter hat sie nicht abgeholt, und jetzt muss ich das übernehmen.«
    »Jetzt«, sagte er.
    »Ja.«
    »Sie holen sie ab?«
    »Das ist richtig.«
    »Mhm. Wollen Sie immer noch Ihre Frau retten?«
    »Ich denke, das wäre gut.«
    »Dann holen Sie die Kinder und kümmern Sie sich danach um Ihre Frau«, beschied er mich. »Kommen Sie nicht auf die Idee, das Land zu verlassen oder so etwas.«
    »Detective«, protestierte ich. »Ich will meine Frau wiederhaben.«
    Coulter sah mich einen langen Moment an. Dann nickte er. »Sie finden mich im Convention Center«, sagte er, drehte sich um und ging aus der Tür.

35
    D er Hort, in den Cody und Astor nach der Schule gingen, lag nur ein paar Minuten von unserem Haus entfernt, doch vom Büro aus befand er sich am anderen Ende der Stadt, weshalb etwas mehr als zwanzig Minuten vergingen, bis ich endlich dort eintraf. In Anbetracht des Stoßverkehrs konnte man vermutlich von Glück reden, dass ich es überhaupt geschafft hatte. Die Fahrt verschaffte mir immerhin jede Menge Zeit, darüber nachzudenken, was Rita zustoßen konnte, und zu meiner Überraschung stellte ich fest, dass ich wirklich hoffte, ihr möge nichts passieren. Ich hatte begonnen, mich an sie zu gewöhnen. Es gefiel mir, jeden Abend von ihr bekocht zu werden, und außerdem konnte ich mich nicht den ganzen Tag allein um die Kinder kümmern und gleichzeitig die Freiheit genießen, meine gewählte Karriere voranzutreiben – jetzt nicht, und auch nicht in den nächsten Jahren, bis beide ihre Ausbildung beendet hatten.
    Deshalb hoffte ich, dass Coulter sich zuverlässige Verstärkung geholt hatte und Weiss bereits verhaftet und Rita gerettet war. Vielleicht trank sie in eine Decke gehüllt einen Kaffee, wie im Fernsehen.
    Das warf eine interessante Frage auf, eine, der ich mich auf der ganzen im Übrigen angenehmen Fahrt durch den mörderischen Feierabendverkehr mit echter Besorgnis widmete. Angenommen, man hatte Weiss tatsächlich verhaftet und ihm seine Rechte vorgelesen? Was würde passieren, wenn man begann, ihm Fragen zu stellen? Wie zum Beispiel: Warum haben Sie das getan? Und noch wichtiger: Warum haben Sie das Dexter angetan? Was, wenn er so geschmacklos war, die Wahrheit zu sagen? Bis jetzt hatte er eine geradezu haarsträubende Bereitwilligkeit gezeigt, jedem alles über mich zu erzählen, und
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