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Die Schoene im Schnee

Die Schoene im Schnee

Titel: Die Schoene im Schnee
Autoren: Raeanne Thayne
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den Fahrbahnrand zu schlitterte. Und dahinter führte ein anderthalb Meter tiefer Abhang geradewegs in den Cold Creek River.
    Als der Wagen aus seinem Blickfeld verschwand, zog Brant an den Zügeln, drückte die Sporen fest in die Flanken des Pferds und ritt eilig auf den Abhang zu.
    Am Flussbett konnte er in der anbrechenden Dunkelheit gerade noch erkennen, dass das Fahrzeug nicht völlig versunken war – viel fehlte jedoch nicht. Der SUV war auf einem Granitfelsen in der Mitte des Flussbettes gelandet. Die Schnauze war eingedrückt, und die Hinterreifen berührten noch das Ufer.
    Fluchend stieg Brant vom Pferd.
    Im Februar war der Fluss nicht sehr tief; und die Strömung war nicht stark genug, um einen SUV mit sich zu reißen.
    Aus dem Fahrzeuginnern war ein schwaches Stöhnen zu hören. Und noch ein anderes, ganz eigenartiges Geräusch. Es klang, als würde ein kleines Lamm blöken.
    „Halten Sie durch!“, rief er. „Ich hole Sie da raus!“
    Es dauerte einige Minuten, bis er sich einen Überblick verschafft hatte, wie er das Problem am besten angehen konnte.
    Inzwischen war die Nacht endgültig hereingebrochen, und das Schneegestöber nahm weiter zu. Dazu kam der eisige Wind.
    Doch selbst das konnte ihn nicht auf den Gefrierschock vorbereiten, der ihn ereilte, als er bis zu den Knien durch den Fluss watete und das Wasser durch seine Schuhe und die gefütterten Jeans drang.
    Wieder war dieses Stöhnen zu stöhnen. Und dieses Mal konnte er das Geräusch, das er zunächst für das Blöken eines Lamms gehalten hatte, genauer einordnen. Es war ein Hund. Dem Geräusch nach ein ziemlich kleiner. Und er kläffte wie verrückt.
    „Halten Sie durch!“, rief Brant erneut. „In einer Minute habe ich Sie rausgeholt.“
    Er watete weiter durch das Wasser, erreichte schließlich das Fahrzeug und riss die Tür auf.
    Der Fahrer war eine Frau, vielleicht Mitte zwanzig. Ihre dunklen Locken bildeten einen deutlichen Kontrast zu ihren blassen, zarten Gesichtszügen.
    Mit jeder Sekunde würde ihre Körpertemperatur weiter sinken.
    Brant war klar, dass er sie aus dem SUV befreien und aus dem Wasser herausziehen musste, bevor er sich ein Bild über ihren Zustand machen konnte. Auch wenn es jedem Grundsatz der Erste-Hilfe-Ausbildung widersprach, die er als Army Ranger bekommen hatte.
    Bevor das Ausmaß der Verletzungen bekannt war, durfte ein Unfallopfer normalerweise nicht bewegt werden.
    „Kalt“, murmelte sie.
    „Ich weiß. Tut mir leid.“
    Dass sie nicht stöhnte oder weinte, während er sie aus dem Wagen befreite, sah er als gutes Zeichen. Wenn sie sich etwas gebrochen hätte, wäre sie nicht in der Lage gewesen, ihre Schmerzen zu verbergen.
    Sie gab keinen Ton von sich, sondern krallte nur ihre Hände in seine Jacke. Sie zitterte am ganzen Körper. Aufgrund des Schocks und der Kälte, wie er annahm.
    Sie war nicht besonders schwer, fünfzig Kilo schätzungsweise.
    Sie durch das eiskalte Wasser zu tragen, beanspruchte dennoch sämtliche Energiereserven.
    Als sie das Ufer erreichten und Brant sie die leichte Böschung hinauftrug, atmete er schwer. Ihm kam es vor, als habe er jedes Gefühl in den Beinen verloren.
    Durch seine Erfahrungen mit Kriegsverletzungen hatte er gelernt, dass man einen Verletzten am besten beruhigte, indem man ihm möglichst viele Informationen über das Geschehen entlockte. Auf diese Weise fühlte er sich nicht völlig hilflos und ausgeliefert. „Ich reite jetzt mit Ihnen zu mir nach Hause, okay?“
    Sie nickte und beschwerte sich auch nicht, als er sie auf Tags Rücken hievte, wo sie sich gleich an das Sattelhorn klammerte.
    „Halten Sie sich gut fest. Ich setze mich jetzt hinter Sie und bringe Sie ins Warme.“
    Seine eisverkrusteten, nassen Stiefel kamen ihm genauso schwer wie die Frau vor. Er musste seine gesamte Kraft aufbringen, um sie vom Boden zu heben.
    Als er den ersten Fuß in den Steigbügel gehievt hatte und gerade das zweite Bein nachziehen wollte, begann die Frau zu stöhnen.
    „Simone. Meine Simone. Können Sie sie bitte auch retten?“
    Brant schloss die Augen. Simone musste der Hund sein. Im Tosen des Windes war das Kläffen nicht mehr zu hören, und er hatte sich so sehr auf die Frau konzentriert, dass er den Hund ganz vergessen hatte.
    „Können Sie eine Minute aushalten?“, fragte er. Beim Gedanken, erneut durch das eiskalte Wasser zu waten, wurde ihm ganz anders.
    „Ja. Oh, bitte.“
    Er rief sich ins Gedächtnis, dass er schon Schlimmeres als ein bisschen kaltes Wasser
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