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Die Schnelligkeit der Schnecke

Die Schnelligkeit der Schnecke

Titel: Die Schnelligkeit der Schnecke
Autoren: Marco Malvaldi
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Grund zur Sorge. Hattest du irgendwelche wichtigen Dokumente offen?«
    Das Mädchen mit den großen Augen befand sich immer noch in einem semikatatonischen Zustand und nickte nur.
    »Meine Präsentation.«
    »Wie?«
    »Die Präsentation für mein Seminar. Die Folien, mit denen ich das Seminar halten muss.«
    »Mit denen du das Seminar hättest halten müssen«, präzisierte Massimo etwas kleinlich.
    »Ja, mit denen ich das Seminar hätte halten müssen«, fauchte das Mädchen wütend zurück. »Mit denen ich übermorgen das Seminar hätte halten müssen! Und jetzt? Was mach ich ...«
    »Entschuldige, wenn ich dir überflüssige Fragen stelle, aber bist du sicher, dass du das Seminar nicht noch irgendwo anders gesichert hattest?«
    »Nein, warum hätte ich das tun sollen?«
    »Da gäbe es viele gute Gründe. Einer ist gerade eingetreten, zum Beispiel.«
    Das Mädchen starrte ihn hasserfüllt an.
    »Ich habe immer an diesem Rechner gearbeitet. Woher soll ich denn wissen, dass es, wenn man ins Internet geht, da so Hurensöhne gibt, die solche Spielchen mit einem spielen?«
    Massimo hätte entgegnen können, dass solche Viren schon seit einigen Jahren kursierten und dass es von einer vorsintflutlichen Einstellung sprach, ihre Existenz zu ignorieren, wenn man einen Computer besaß. Aber da Massimo nicht erst seit gestern auf der Welt war, wusste er nur zu gut, dass logisches Argumentieren angesichts eines leichtsinnigen Fehlers einer hysterischen Frau bei derselben Frau zu keinem Ergebnis führte. Daher wählte er den Weg der Entschlossenheit.
    »Ich kenne mich ziemlich gut mit dem Betriebssystem aus, das du benutzt. Ich denke, ich könnte eine frühere Version der Datei finden. Wann hast du sie erstellt?«
    »Aber ... vor einer Woche, mehr oder weniger.«
    »Wann hast du sie zum letzten Mal geöffnet?«
    »Sie war geöffnet, als dieser ganze Mist passiert ist. Vor einer halben Stunde, würde ich sagen. Aber hör mal ...«
    Zu spät. Massimo hatte sich schon vor den Laptop gesetzt, und jetzt tanzten seine Finger in einem seltsamen, ziemlich sinnlosen Rhythmus wie kleine rosafarbene Hämmerchen über die Tastatur. Das Mädchen versuchte noch etwas zu sagen, aber Massimo brachte sie mit einer Handbewegung zum Schweigen, während er mit der anderen Hand weiter Befehle auf der Tastatur eingab. Jetzt sah auch Tiziana zu, die vor Kurzem herausgekommen war und die Szene als neutrale Beobachterin verfolgte.
    »Aber ... mein Computer ...«
    »Mach dir keine Sorgen. Massimo ist gigantisch mit diesen Dingern.«
    »Ja, aber ...«
    »Er hat studiert, unter anderem Mathematik. Und wenn ich dir was sagen darf, ich kenne Massimo schon ein paar Jahre. Er mag seine Fehler haben, aber er redet keinen Unsinn. Wenn er es gesagt hat, dann kriegt er es auch hin.«
    »Ja, aber ...«
    »Tiziana«, sagte Massimo, während seine Finger weiter auf die Tasten hämmerten, »zu meinen zahlreichen Fehlern gehört auch, dass es mir schwerfällt, etwas zu machen, während man mir auf die Finger schaut. Geht doch bitte rein, ja?«
    »Aber ...«, sagte das Mädchen mit den großen Augen, dann schaute sie Massimo an und sah, dass er die Datei mit ihrer Präsentation gefunden hatte. Sie wollte schon lächeln, aber Massimo unterbrach sie.
    »Ich bin noch nicht fertig. Ich brauche Zeit. Geht bitte rein, ja.«
    Gehorsam folgten die Mädchen Tiziana in die Bar.
    Eine halbe Stunde später hatte sich das Mädchen mit den großen Augen beruhigt. Ihre Freundin hatte das besorgte Welpengesicht abgelegt und zeigte jetzt einen Ausdruck stiller Freude, der ihr wesentlich besser stand. Die Alten waren derweil hinausgegangen und hatten sich mit vorgetäuschter Unschuld wieder an den Tisch unter der Ulme gesetzt, um Karten zu spielen. Die Mädchen waren in der Bar geblieben und plauderten mit Tiziana über Gott und die Welt, als Massimo mit einem zufriedenen Lächeln wieder hereinkam. Er reichte dem Mädchen den Laptop.
    »Ich glaube, ich habe alles wiederhergestellt. Schau noch mal nach.«
    Das Mädchen nahm den Laptop und stellte ihn direkt auf den Tresen. Mit der Maus ließ sie die Präsentation von Anfang bis Ende durchlaufen. Es waren seltsame quadratische Moleküle zu sehen und überaus verworrene Diagramme von Synthesen und Spektren der Asorption ultravioletter Strahlung. Das Ganze bemerkenswert gestaltet.
    »Wahnsinn! Es ist alles da!«
    »Bist du sicher? Hast du genau nachgesehen?«
    »Ja, ja. Sicher. Du hast mir das Leben gerettet.«
    »Na, das Leben ja
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