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Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Die Schattenseherin: Roman (German Edition)

Titel: Die Schattenseherin: Roman (German Edition)
Autoren: Nina Hunter
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zwar sofort zurück ins Büro geordert, aber der Dämon in seinem Innern, der so kurz davor gewesen war, die Lust einer Frau zu trinken, rebellierte, und Cale brauchte diesen kurzen Moment, um sich zu sammeln und den wütenden Caes zu beruhigen. Dem Inkubus in seinem Innern hatte es nicht gepasst, so kurz bevor sein Hunger gestillt wurde, fortgerissen zu werden. Die junge Frau, die Cale angesprochen hatte, hatte sich nur allzu willig auf seine Verführung eingelassen. Cale kannte die simplen Tricks, die er nachts in den Clubs und Bars Edinburghs einsetzen musste, um die Einsamen oder einfach nur die Verruchten zu sich zu locken. Sie waren es, die sich am leichtesten zu einer lustvollen Nacht verführen ließen, und Cale hatte seine Eroberung des Abends auch fast so weit gehabt, dass sie ihn mitnehmen wollte. Aber Lexas Anweisungen widersetzte man sich nicht – nicht einmal Caes, und so hatte Cale den Nachtclub und seine Beute zurückgelassen, ohne Caesariels Gier befriedigen zu können.
    Der Anblick des nächtlichen Edinburgh, der geschwärzten Sandsteingebäude vor den modernen Geschäften und des angestrahlten Edinburgh Castle, halfen Cale, Caes’ Aufruhr zu bändigen.
    Die Arme vor der Brust verschränkt, merkte Cale, wie Caes ruhiger wurde. ›Abgekühlt?‹, formulierte er stumm in Gedanken.
    ›Bring mir Lexas Kopf auf einem Tablett, dann können wir darüber reden‹ , grollte Caes als Antwort.
    Cale rieb sich über die Stirn. Mittlerweile hatte er sich an die raue Stimme in seinem Kopf gewöhnt – er hatte mehr als ein Jahrhundert Zeit dazu gehabt. Caes’ stets latent schlechte Laune war für ihn abe r nach wie vor ein Ärgernis. › Du kommst heute noch auf deine Kosten ‹ , versuchte er den Dämon in sich zur Ruhe zu bringen.
    ›Das hoffe ich für dich – ansonsten suche ich mir selbst etwas.‹
    Cale hätte fast gelacht. Caes war so abhängig von ihm, wie Cale es von Caes war. Außerdem war allein der Gedanke, dass Caes sich von ihm lösen konnte, absurd. Caes war ein Inkubus – außerhalb der Hölle konnte er ohne einen menschlichen Wirt nicht lange überleben.
    › Spuck keine großen Töne ‹ , dachte Cale und ignorierte das raue Lachen des Dämons. Er stieß sich von dem Schaufenster ab und trat an den Straßenrand. Auf sein Winken hielt eine der Taxen, und er nannte die Adresse der Escortagentur. Der Fahrer kannte den Namen nicht, aber er verzog ein wenig das Gesicht, als er hörte, wo Cale hinwollte. »Was woll’n Sie denn in Leith?«
    Cale lehnte sich in die ledernen Polster zurück. »Ein bisschen was von der Hölle auf Erden sehen.«
    Der Fahrer blickte in den Rückspiegel. »Na, da sind Sie in Leith ja genau richtig.«
    Die Fahrt dauerte nicht lange, vielleicht zwanzig Minuten. Cale wusste, warum das nah am Wasser gelegene Arbeiterviertel Leith so verschrien bei der Bevölkerung war. Wer es sich nicht leisten konnte, eine der schicken Wohnungen im Stadtzentrum oder eines der kleinen Häuschen am Stadtrand zu kaufen, wohnte in Leith zur Miete.
    Vor Jahren hatten einige Geschäftsleute versucht, in den ehemaligen Lagerhäusern Geschäfte, Clubs und Restaurants anzusiedeln, aber viele waren gescheitert. So setzte sich das abendliche Stadtbild aus Pubs, aus denen laute Musik dröhnte, und erleuchteten, leeren Restaurants zusammen. Selbst am Tag roch es nach Alkohol und Verzweiflung. Kein Wunder, dass Lexa sich mit ihrer Escort Agentur Flesh and Skin ausgerechnet hier niedergelassen hatte.
    Cale bezahlte den Fahrer und stieg aus. Er stand vor einem niedrigen Gebäude mit zwei Etagen – wie so viele andere Gebäude in Edinburgh war es aus Sandstein gebaut, der mit der Zeit durch die Autoabgase nachgedunkelt war und erste Löcher zeigte. Eine niedrige Treppe führte zu einer grün gestrichenen Tür. Äußerlich unterschied sich das Haus nicht von den anderen, bis auf das fehlende Schloss. Wo sich die Klinke befinden sollte, war nichts weiter als eine kleine graue Fläche, ähnlich wie das Touchpad eines Laptops.
    Cale malte mit der Spitze seines Zeigefingers unsichtbare Linien darauf nach, die für einen winzigen Augenblick in der Form einer Rune erstrahlten, und schob dann die Tür auf.
    Im Gegensatz zur äußeren Fassade legte Lexa auf die Inneneinrichtung ihres Büros großen Wert. Cale ging durch den in Schwarz und Weiß gehaltenen Flur direkt in den großen Aufenthaltsraum zu seiner Rechten. Lexa hatte die ursprünglichen Stuckarbeiten erneuern und hier und da noch eigene Motive
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