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Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit

Titel: Die Schattenritter: Kuss der Dunkelheit
Autoren: Kathryn Smith
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Ruine, noch dazu eine sehr alte, über die Reisende sprachen und die den Einheimischen Stoff für Märchen lieferte. Wo er jetzt stand, war einmal die große Eingangshalle gewesen. Über der Tür hatte ein eisernes Kreuz gehangen, das er selbst dort angebracht hatte. Elisabetta hatte die Vorhänge für die Fenster ausgesucht – kräftige leuchtende Farben und dicke Stoffe. Nach heutigen Maßstäben wäre das Haus altmodisch, aber damals war es der Inbegriff von Stil und Eleganz.
    Es war ein Heim gewesen.
    Wie viele Nächte hatte er auf dem Balkon oder gar auf dem Dach gestanden und mit der Frau, die er liebte, an seiner Seite den Wolken zugesehen, die über den Nachthimmel zogen! Elisabettas Haut im Mondschein hatte an sehr blasses Elfenbein erinnert, zerbrechlich und warm.
    Außer Erinnerungen war ihm nichts geblieben. Hier war nichts mehr, was ihm gehörte, bis auf Schmerz und Bedauern ob einer Nacht vor langer, langer Zeit, als das Feuer sein Zuhause und eine Gruppe unwissender und verängstigter Männer sein Leben zerstörten.
    Diese Ruine bedeutete ihm nichts, und dennoch glaubte er, inmitten des Schutts und Gerölls Elisabettas Stimme zu hören. In Momenten wie diesem war sein hervorragendes Gedächtnis ein Fluch, denn er hatte nicht die geringste Mühe, ihre zarte, süße Gestalt und ihr lieblichesGesicht heraufzubeschwören. Und er erinnerte sich, wie sehr er sie geliebt hatte und von ihr geliebt worden war.
    Sie hatte ihn sogar so sehr geliebt, dass sie seine Sicherheit über ihre eigene gestellt hatte, die kleine Närrin. Andererseits hatte sie ihn nicht genug geliebt, um ihm ihre Seele zu geben, ganz gleich, wie sehr er es sich gewünscht hatte.
    Nein, aber sie hatte ihr Leben für seines gegeben. Und nach Jahrhunderten fiel es ihm immer noch schwer, ihr dieses Opfer zu verzeihen.
    Schwache Lichtstreifen verliehen dem Ort etwas Unwirkliches und zugleich Anrührendes – er war ebenso schön wie verfallen. Bishop sah alles sehr deutlich, selbst die Dinge, die im tiefen Schatten lagen. Das hier war nicht mehr sein Zuhause. Hier war kein Leben – oder zumindest keines, das mit seinem zu tun hatte.
    Er verließ die Ruine. Je weiter er von hier wegging, umso besser würde er sich fühlen. Die Brocken von Stein und Holz, die unter seinen Stiefeln knirschten, wichen dem sanften Rascheln von Gras am abgewetzten Leder. Wildblumen wuchsen um die Grundmauern, die hübsche Pastellkleckse im saftigen schwarz-grünen Gras bildeten.
    Teils wuchs das Gras so hoch, dass es Bishop bis zum Schenkel reichte, doch er durchschnitt es schreitend mit derselben Leichtigkeit wie ein warmes Messer frische Butter. Unangestrengt und ohne Eile ging er auf den Wald hinten auf dem Grundstück zu. Er war dichter, als Bishop ihn in Erinnerung hatte. Natürlich waren die Bäume größer geworden, seit er hier gelebt hatte.
    Die Gerüche hatten ihm gefehlt, der Duft von Fichten und Buchen, von fruchtbarer feuchter Erde und tau schweremGras. Die süße Wildnis erfüllte ihn und linderte seine Reue, indem sie ihm ins Gedächtnis zurückrief, wie unglaublich gern er hier gelebt hatte.
    Und sie erinnerte ihn an alles, was er besessen hatte, bevor die Männer kamen und es ihm wegnahmen.
    Unweit des Waldrandes war das Grab. Nur ein schiefer Stein mit sorgfältig gemeißelten Lettern, inzwischen stumpf und vermoost, markierte es. Bishop hätte ihr gern einen Engel geschenkt, doch sein Talent reichte lediglich für ihren Namen und das Datum. Und sogar dabei hatte er noch drei Steinplatten – die er der Ruine ihres Hauses entnommen hatte – und zwei Meißel zerstört. Er war fast wahnsinnig geworden, als er den Grabstein anfertigte, und dennoch war er alles andere als vollkommen.
    Obwohl, wenn er es recht bedachte, hätte Betta dieser ziemlich grobe Stein gewiss gefallen. Sie hatte stets eine Vorliebe für alles Schlichte gehabt, keinen Hang zum Dramatischen wie er. Ihr hätte ebenso gefallen, wie der Wald um ihre Ruhestätte herum gewachsen war. Elisabetta hatte das Land und die Ruhe gemocht, wie auch die wilden Berge – so sehr, dass sie sich geweigert hatte, von hier fortzugehen. Also war er bei ihr geblieben. Schließlich hatte er schon so vieles von der Welt gesehen, dass sich allmählich alles zu wiederholen begann.
    Ihre Liebe war ansteckend gewesen. Sie waren bereits Jahre sesshaft gewesen, als er anfing, über Reisen und die Weltwunder zu sprechen, die er ihr zeigen wollte. Er hatte Dinge gesehen und bestaunt, die er noch einmal mit ihr
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