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Die Schatten eines Sommers

Die Schatten eines Sommers

Titel: Die Schatten eines Sommers
Autoren: Lia Norden
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Hockey, Tennis und Klavierunterricht hin- und herchauffierte … Es war nicht zum Aushalten! Und jetzt, quasi als i-Tüpfelchen, noch ein viertes Kind der Liebe. Willkommene Frucht einer Leidenschaft, die auch nach siebzehn Ehejahren angeblich noch so ungeheuer hell loderte, dass man – ups! – im Rausch der Lust vergessen hatte, zu verhüten …!
    Undenkbar bei Katharina! Ich wusste genau, dass meine große Schwester nichts ohne Kalkül und ihren allgegenwärtigen Timer tat. Wahrscheinlich hatte sie ihren Eisprung monatelang exakt am Computer berechnet und ihren Frank vom OP -Tisch direkt ins Bett zitiert. Katharina war Strategin und Perfektionistin durch und durch. Das war sie immer gewesen. Neben ihr konnte man nicht bestehen. Ich jedenfalls hatte es nie gekonnt. Bis heute nicht. Obwohl auch ich die gängigen Kriterien eines zumindest halbwegs erfolgreichen Lebens vorzuweisen hatte: Einen sicheren Job als Bibliothekarin in der hiesigen Stadtbücherei, einen vorzeigbaren Ehemann, mit dem mich mehr verband als der
Tatort
am Sonntagabend, und Lea, unsere halbwüchsige Tochter, die mit etwas Glück in ein paar Jahren ihr Abi schaffen würde. Alles in allem war ich also auch nicht gerade eine verkrachte Existenz.
    Wäre da nicht der ewige Vergleich mit Katharina gewesen. Mit den Jahren hatte ich gelernt, mich dem deprimierenden Wettbewerb zu entziehen, indem ich Familienfeste nach Möglichkeit mied und Erzählungen über Katharina kommentarlos an mir vorbeiplätschern ließ. Früher aber, da hatte es kein Entrinnen gegeben. Katharina, die Unerreichbare … Wie ein Dackel dem Wurstzipfel war ich ihrem leuchtenden Vorbild hinterhergehechelt, ohne jede Chance, auch nur in ihren Windschatten zu gelangen. Belächelt und bedauert. Letzteres war schlimmer.
    Nie werde ich vergessen, wie es war, wenn andere Zeugen meiner Demütigung wurden. So wie Hanna, Fabienne und Dorit. Die Unzertrennlichen, wie wir uns selber genannt hatten. Den Namen hatten wir in irgendeinem alten Mädchenschmöker von Dorits Mutter gefunden – und begeistert übernommen. Lange hatte diese vielbeschworene Unzertrennlichkeit nicht gedauert. Im Grunde nur ein Jahr und einen Sommer. Aber es war eben nicht irgendein Sommer gewesen, sondern
der
Sommer.
    Zu viert hatten wir bei uns im Garten gesessen und Limonade mit dünnen Zitronenscheiben aus überlangen Strohhalmen geschlürft. Wir waren uns sehr mondän vorgekommen, wie wir da saßen, sehr erwachsen, dabei hatte Fabienne, die älteste von uns, gerade erst ihren sechzehnten Geburtstag gefeiert. Worum wir anderen sie glühend beneideten.
    Irgendwann war ich ins Haus gegangen, um Eiswürfel und ein paar Knabbereien zu holen, als meine Mutter, die oben am offenen Fenster saß, einen Anruf bekam. Anscheinend hatte Mama überlaut gesprochen, wie immer. Und anscheinend hatte sie mal wieder keinerlei Hemmungen gehabt, familiäre Interna herauszuposaunen.
    «Wir haben nicht gelauscht, Marie!», hatte Dorit beteuert, als ich mit frischer Limo und Knabberkram zurückkam. «Es blieb uns gar nichts anderes übrig, als das Gequassel deiner Mutter zu hören.»
    Sofort beschlich mich ein ungutes Gefühl. Aber ich ließ mir nichts anmerken.
    «Und?», fragte ich leichthin. «War’s wenigstens spannend?»
    Dorit senkte den Blick. «Na ja, sie hat über Katharina gesprochen. Wie gut sie in der Schule ist und so …»
    Ich tat unbeteiligt. «Das ist normal. Mama redet immer über Katharina.»
    Hanna beugte sich vor. «Hat deine Schwester wirklich mal die Jugend-Kreismeisterschaften im Tennis gewonnen?»
    Ich nickte gleichgültig. «Ist aber schon eine Weile her. Jetzt spielt sie nur noch ab und zu.»
    Hanna kicherte. «Stimmt, das hat deine Mutter auch gesagt. Ich meine, dass sich Katharina jetzt für andere Sachen interessiert …»
    «Für Jungs», ergänzte Dorit mit leuchtenden Augen. «Deine Mutter hat auch gesagt, dass deine Schwester jede Menge Verehrer hat …»
    Ich schloss die Augen und nahm einen Schluck Limonade. Na, wenn schon.
    Hanna senkte ihre Stimme. «… und dass es schade ist, dass du damit Probleme hast.»
    Ruckartig wandte ich den Kopf. «Womit soll ich Probleme haben?»
    Betont ahnungslos zuckte Hanna die Schultern. «Weiß nicht, vielleicht damit, dass Katharina immer so gut bei allen ankommt. Weil … Na ja, sie sieht eben echt super aus und so.» Hanna verstummte, als wäre ihr die Situation unangenehm, als wolle sie ihre Worte am liebsten zurücknehmen. Aber ich sah ihren Blick, die dunkle Iris
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