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Die Schatten der Vergangenheit

Die Schatten der Vergangenheit

Titel: Die Schatten der Vergangenheit
Autoren: Corrine Jackson
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»Ich stelle eine neue Regel auf. Mitten auf einer überfüllten Tanzfläche ist der Gedanke Küss mich! streng verboten!«
    Ich bog den Kopf zurück, dass er von meinem Kinn zu meinem Hals hinunter eine Kussspur legen konnte. »Nix da! Keine neuen Regeln mehr. Wir berühren uns ja so schon kaum!«
    Wir hatten einen Haufen Regeln darüber aufgestellt, wann und wie wir uns küssen durften. Beim Küssen musste einer von uns seinen Schutzwall oben lassen, was für beide frustrierend war. Diese kleinen verbotenen Kostproben davon, wie es wäre, die Beherrschung zu verlieren, machten alles nur umso schwerer.
    Asher ließ die Hand von meiner Hüfte zu meiner Rückenmitte gleiten, wob die Finger in mein langes, gewelltes Haar und wickelte es sich um die Hand. »Mhm, irgendwie sind wir immerzu von Menschen umgeben. Das ist das erste Mal seit Tagen, dass wir allein sind!«
    Ich hob den Kopf und sah ihm in die Augen. »Dann machen wir besser was daraus!«
    »Allerdings!« Das Leuchten, das sich in seine grünen Augen stahl, hätte mich vorwarnen sollen. Er packte michund wirbelte mich mit schwindelerregender Schnelligkeit von sich weg. »Tanz mit mir, Remy.«
    Ich weiß, was du tust, aber ich lasse dich damit noch mal davonkommen. Diesmal. Er wollte uns ablenken, davon, was wir nicht haben konnten.
    Wir hatten noch nie miteinander getanzt. Asher war im viktorianischen England groß geworden, und ich ging davon aus, er würde sich auf altmodische Weise bewegen, und das zu dem fetzigen Beat, der aus dem Club herausdrang. Aber natürlich überraschte mich Asher einmal mehr, denn er hatte es wirklich drauf. Als die Musik verstummte, wiegten wir uns hin und her, weil wir den Augenblick nicht enden lassen wollten, und Asher drückte meinen Kopf sanft in seine Halsbeuge.
    Plötzlich wurden wir durch einen Knall jäh in die Realität zurückgerissen. Die Tür zum Innenhof wurde zugeschlagen.
    Wir lösten uns voneinander und blickten uns um. Wir erkannten Marina, Brandon dicht hinter ihr. Sie war so unsicher auf den Beinen, dass sie stolperte und an einem nahe gelegenen Tisch Halt suchen musste.
    »Rina, verdammt noch mal! Das ganze letzte Set über war dein Gesang voll daneben!«
    Brandon, der sie festhalten wollte, klang wütend. Gerüchte hatten die Runde gemacht, die Band hätte Probleme, aber mir gegenüber hatte er nie etwas davon erwähnt.
    »Verpiss dich, Brandon! Ich brauch deine Hilfe nicht!«
    Marina lallte, und ich fragte mich, wie viel sie wohl schon intus hatte. Im Club wurde zwar kein Alkohol verkauft, aber das hieß noch lange nicht, dass sich keiner organisieren ließ.
    »Du bist betrunken«, brüllte Brandon sie an. »Verdammte Scheiße, Rina! Weißt du eigentlich, was für ein Klischee du bist? Du bist raus!«
    »Das ist mir so was von egal!«, kreischte sie. Sie machte einen Schritt auf ihn zu und holte zum Schlag aus. Und sie hätte ihm auch garantiert eine gescheuert, wenn Asher sie nicht mit seinem stählernen Griff davon abgehalten hätte. Sie fing an, in sein Shirt zu schluchzen, und ihre Wut verrauchte so schnell, wie sie gekommen war.
    Ich wollte helfen. Ehrlich. Aber etwas hielt mich davon ab. Die Wimperntusche, die unter ihren Augen klebte und ihr die Wangen herunterlief. Ihre nachlässigen Bewegungen. Ihre Unbeherrschtheit. Marina erinnerte mich in diesem Zustand an meine Mutter, und ich erstarrte, beobachtete, wie sich ihre Schultern hoben und senkten. Einen Augenblick später hörte ihr Weinen auf und wurde von einer Stille abgelöst, die vom Echo meiner Vergangenheit erfüllt war. Hätte ich mich häuten und wegrennen können, dann hätte nur noch meine rosafarbene Außenhaut auf dem Innenhofboden gelegen, wie ein Schutzanzug, den ich ausgezogen hätte.
    Seufzend trat Brandon auf Asher zu. Er legte Marina einen Arm um die Schulter und versuchte, sie von Asher zu lösen. Sie sackte in sich zusammen, doch Asher konnte sie gerade noch rechtzeitig auffangen.
    »Rina!«
    Die beiden Jungs legten Marina vorsichtig auf den Betonboden. Was geschehen war, wusste ich besser als die beiden. Man konnte es schon ahnen, als sie auf der Bühne gestanden hatte. Rotes Gesicht. Geweitete Pupillen. Schwindel. Und nun Bewusstlosigkeit. Sie war nicht bloß betrunken. Sie hatte etwas genommen.
    Ich erinnerte mich nicht, mich bewegt zu haben, aber unvermittelt befand ich mich an ihrer Seite und wollte sie berühren, doch Asher schlug meine Hand weg.
    »Remy, denk nicht mal drüber nach!«
    »Hey, was zum Teufel soll das?«
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