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Die Schatten der Vergangenheit

Die Schatten der Vergangenheit

Titel: Die Schatten der Vergangenheit
Autoren: Corrine Jackson
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dabei weiterhin irre gegrinst und gesagt: ›Dein kleiner Freund wird in der Hölle schmoren, weißt du das? Aber du würdest nicht derart in Gottes Antlitz spucken, oder?‹«
    »Und du bist geblieben?«
    »Was hätte ich denn sonst tun sollen? Ich hatte Angst, er würde auf mich zeigen und rufen ›Der da!‹, und dann würde ich vom Blitz getroffen oder so was.«
    »Sollen wir den Job also von der Liste streichen?«
    »Dreimal darfst du raten.«
    Als Nächstes bewarben sie sich als Aufklärer und der Job erwies sich als gute Wahl – aber nur für einen von ihnen. Bennys Sehkraft war zu schwach, um Zombies aus großer Entfernung sichten zu können. Chong dagegen besaß Adleraugen und man bot ihm den Job an, kaum dass er die kleinsten Ziffern von einer Schautafel vorgelesen hatte. Benny konnte nicht einmal erkennen, dass es sich um Ziffern handelte.
    Chong nahm den Job an und Benny zog allein ab, wobei er seinem Freund, der neben dem Ausbilder auf einem hohen Turm saß, mutlose Blicke zuwarf.
    Später erzählte Chong ihm, er finde den Job toll. Er konnte dabei den ganzen Tag sitzen und über die Täler hinaus auf die endlosen Weiten des Leichenlands starren, die sich von Kalifornien bis zum Atlantik erstreckten. Chong meinte, dass er an einem klaren Tag 20 Meilen weit sehen könne – vor allem dann, wenn kein Wind vom Steinbruch in seine Richtung wehe. Er war ganz allein dort oben, allein mit seinen Gedanken. Benny vermisste seinen Freund, doch insgeheim fand er, dass sichdessen job langweiliger anhörte, als es sich mit Worten beschreiben ließ.
    Abfüller hörte sich in Bennys Ohren gut an, weil er von einem Fabrikjob ausging, bei dem man Limoflaschen abfüllte. Benny liebte Limonade, aber man kam manchmal nur schwer an sie heran. Häufig handelte es sich um alte Markenprodukte, die irgendwelche Händler herbeigeschafft hatten, aber sie waren zu teuer. Eine Flasche Dr. Pepper kostete zehn Rationendollar. Das einheimische Zeugs wurde dagegen in alle möglichen recycelten Behälter abgefüllt – von Marmeladengläsern bis zu Flaschen, die früher einmal Coca-Cola oder Mountain Dew enthalten hatten. Benny sah sich schon den Kurbelgenerator bedienen, der das Fließband antrieb, oder mit einem Gummihammer Korken in die Flaschenhälse klopften. Bestimmt würde man ihn so viel Limonade trinken lassen, wie er wollte. Doch als er sich auf den Weg zur Fabrik machte, traf er unterwegs einen älteren Kumpel – Bert, den Cousin seines Freundes Morgie Mitchell –, der in der Firma arbeitete. Als Benny sich Bert anschloss, hätte er sich fast übergeben müssen. Bert stank fürchterlich – wie ein Kadaver, der vergessen in einer dunklen Ecke verweste. Schlimmer noch: Er stank wie ein Zombie.
    Bert fing seinen Blick auf und zuckte die Achseln. »Tja, was hast du denn erwartet? Ich fülle dieses Zeug acht Stunden am Tag ab.«
    »Was für Zeug?«
    »Kadaverin. Was denn? Hast du vielleicht geglaubt, ich würde Limonade abfüllen? Schön wär’s! Nee, nee, ich bediene eine Presse, die aus dem verwesenden Fleisch die Flüssigkeit herausquetscht.«
    Benny sank der Mut. Kadaverin war eine ekelhaft stinkende Brühe, die durch Proteinhydrolyse bei der Zersetzung von tierischem Gewebe entstand. Daran konnte Benny sich aus seinem Naturkundeunterricht noch erinnern – aber er hatte nicht geahnt, dass Kadaverin wirklich aus verwesendem Fleisch hergestellt wurde. Jäger und Fährtenleser besprenkelten ihre Kleidung damit, um zu verhindern, dass die Zombies ihnen nachstellten, denn von verwesendem Fleisch wurden die lebenden Toten nicht angelockt.
    Benny fragte Bert, welche Art Fleisch für die Herstellung des Produkts verwendet wurde, doch Bert druckste nur herum und wechselte schließlich das Thema. Kurz vor der Tür der Fabrikanlage wirbelte Benny herum und ging zurück in die Stadt.
    Von dem nächsten Job hatte Benny bereits gehört: Erosionskünstler. Er hatte Erosionsporträts an den Zauntürmen gesehen und an den Wänden der Gebäude, welche die Rote Zone säumten – jenen Streifen offenes Gelände, der die Stadt vom Zaun trennte.
    Da Benny durchaus eine künstlerische Ader hatte, klang der Job recht vielversprechend. Die Leute wollten wissen, wie ihre Verwandten wohl als Zombies aussahen. Vor diesem Hintergrund nahmen Erosionskünstler Familienfotos und zombiefizierten sie sozusagen. Benny hatte Dutzende dieser Porträts in Toms Arbeitszimmer gesehen. Ein paarmal hatte auch er überlegt, das Foto seiner Eltern einem
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