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Die Schanz

Die Schanz

Titel: Die Schanz
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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Jeans und eine dünne, bestickte Bluse, und sie war barfuß. «Klaus, ach, Gott sei Dank! Ich glaub, ich hab gerade ziemlichen Mist gebaut. Können Sie mir schnell helfen?»
    Der Mann lächelte. «Ich komm schon.»
    Ulli betrachtete die Häuser gegenüber, manche sehr alt, manche jüngeren Datums, die meisten aus dunklem Backstein, alle schmuck mit getöpferten Namensschildern, Blumenkästen und -kübeln, in denen späte Geranien und Männertreu blühten. Schräg links stieg eine Gasse zur Mauerkrone steil an. Das Gebäude an der Ecke dort wirkte verwahrlost, der gelbe Putz schlug feuchte Blasen, die Fensterscheiben waren blind. 1883 war es erbaut worden, wie ein paar eiserne Ziffern über der Haustür bezeugten.
    An Nr.   17 – anscheinend waren die Häuser auf der Schanz einfach durchnummeriert worden – hatte jemand eine Hochwassermarkierung angebracht: 1926 war das Wasser bis zur Oberkante der Haustür gestiegen.
    Na, endlich! Norbert kam die Straße hinuntergeschlakst. Wieder machte Ullis Magen einen Hüpfer. Sie nahm ihre Schultertasche, stand auf und ging ihm entgegen. «Ich dachte schon, du hättest es dir anders überlegt.»
    Er umfasste ihre Taille, zog sie eng an sich und küsste sie. «Da müsste ich ja wohl verrückt sein.» Dann schaute er sich verdrossen um. «Aber dass es ausgerechnet hier sein muss!»
    «Ach komm, du weißt genau, dass ich’s romantisch haben will, wenn ich mich schon traue.»
    «Ich kann hier beim besten Willen nichts Romantisches entdecken, bloß Mief. Aber wenigstens», fuhr er fort, den Schalk in den Augenwinkeln, «bleibt mir so die Kutschfahrt erspart. Oder willst du tatsächlich die hundert Meter von der Kirche bis zur Kneipe mit Pferd und Wagen zurücklegen?»
    «Natürlich nicht!» Auch Ulli schmunzelte. «Das hätte keinen Stil. Nein, wir werden einen richtigen Hochzeitsparademarsch haben: Du und ich vorneweg, die ganze Gesellschaft hinterher, und meine Vorschulkinder stehen am Straßenrand und streuen Blümchen, einen ganzen Teppich. Die sind schon ganz wild drauf.»
    Van Appeldorn sah sie prüfend an, sie schien es ernst zu meinen. «Im November?», entgegnete er matt.
    «Im November», bestätigte sie nickend. «Ich hätt’s ja auch lieber im Mai gehabt, aber du bist es doch, der es so eilig hat. Die paar Kilo Treibhausrosen werden uns schon nicht ruinieren. Und die Kutsche bleibt im Programm, dass du dir da keine falschen Hoffnungen machst. Wir steigen in Düffelward ein, setzen mit der Fähre über den Altrhein und fahren vom Anleger mit der Kutsche zur Kirche.»
    Er lächelte. Ulli hatte sich ihr ganzes Leben lang, das wahrhaftig nicht immer leicht gewesen war, ihren Kindertraum von einer Märchenhochzeit im Prinzessinnenkleid bewahrt. Und sie hatte sich in dieses Hundert-Seelen-Dörfchen verguckt mit seinen Festungsmauern und seiner wechselvollen Geschichte.
    «Vorsicht!» Van Appeldorn konnte sie gerade noch gegen die Hauswand schieben, als der Gokart, diesmal mit sechs Kindern besetzt, angefahren kam.
    «Hier Kind zu sein, ist bestimmt klasse», meinte Ulli. «Aber jetzt komm, die Frau wartet sicher schon.»
    Die Kneipe war leer bis auf einen Mann an der Theke, der, eine Tasse Kaffee vor sich, Zeitung las. Sein graues Haar war recht lang und gelbstichig, sein Gesicht kantig, die Brauen buschig und schwarz. Als Ulli und van Appeldorn hereinkamen, sah er kurz hoch, grüßte aber nicht.
    Die Einrichtung der Kneipe stammte aus den Siebzigern, alles in Braun und Beige, nur statt der damals üblichen orangefarbenen Akzente viel Tingeltangelrosa; schwere Gardinen, Eichenmöbel, Puppenlämpchen mit Goldfransen.
    Van Appeldorn suchte Ullis Blick, aber die schien es nicht zu bemerken.
    «Noch einen Kaffee, bitte, wenn es nicht zu viel Mühe macht», bellte der Mann am Tresen in seine Zeitung. Er sprach mit einem ganz leichten Akzent.
    Aus der angrenzenden Küche vernahm man zunächst nur ein unwilliges Brummen, dann kam eine Frau heraus und knallte ihm ein Kaffeekännchen hin, ohne ihn auch nur anzusehen.
    Stattdessen musterte sie van Appeldorn. «Sind Sie das Hochzeitspaar, was angerufen hat? Ich bin Bea Lentes. Kommen Sie durch, ich zeig Ihnen unseren Saal.» Ihre helle Hose betonte das ausladende Hinterteil, der kurze Pullover ihre diversen Bauchröllchen, und die sicher fünf Zentimeter hohen Plateausohlen unter den pinkfarbenen Lackschuhen mussten beim Servieren recht hinderlich sein.
    Der Saal war eine angenehme Überraschung – weiß getünchte Wände, ein
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