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Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)

Titel: Die Schakkeline ist voll hochbegabt, ey: Aus dem Leben einer Familienpsychologin (German Edition)
Autoren: Sophie Seeberg
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zunächst einmal eine mehrjährige Haftstrafe absitzen müssen.

Zweifel
    Frau Lorenz war eine außergewöhnlich schöne Frau. Sie war intelligent, einfühlsam, hatte einen Job, den sie liebte und mit dem sie gut verdiente, einen netten Freundeskreis, eine funktionierende Partnerschaft und einen ganz entzückenden sechsjährigen Sohn. Sie lebte in einer hellen Dachwohnung mit einem riesigen Balkon, der mit seinen gemütlichen Korbmöbeln und den vielen Pflanzen sofort Urlaubsgefühle weckte.
    Und doch war Frau Lorenz vollkommen verzweifelt und weinte nun seit zwei Stunden fast ununterbrochen. Der Grund für ihre Verzweiflung war Herr Eckart, der Vater ihres gemeinsamen Sohnes Johannes. Sie hatte ihn verlassen, als Johannes zweieinhalb Jahre gewesen war.
    Frau Lorenz’ Beschreibungen klangen wie der Plot eines Psychothrillers: Herr Eckart hatte neben dem üblichen Telefonterror, der mir im Rahmen von Trennungsfamilien immer wieder begegnet, zunächst damit begonnen, Frau Lorenz immer wieder an ihrer Wohnung und ihrem Arbeitsplatz aufzulauern, um ihr entweder mit leuchtenden Augen einen riesigen Strauß Blumen aufzudrängen oder sie am Arm zu packen und ihr zu sagen, dass er ihr Leben zerstören werde. Er schickte ihr Karten mit romantischen Sonnenuntergängen und Liebesgedichten und nur einen Tag später Beileidskarten mit Trauersprüchen, die sich entweder auf den Tod ihres neuen Lebensgefährten oder ihren eigenen bezogen. Zweimal bereits war eine große Todesanzeige mit ihrem Namen in der Tageszeitung erschienen.
     
    »Ich kann nicht beweisen, dass er das war. Er hat das alles so geschickt gemacht, dass man es nicht nachverfolgen kann. Aber wenn er mir dann mal wieder aufgelauert hat, hat er immer so Bemerkungen gemacht. Er
will,
dass ich weiß, dass er das war. Ich war schon oft bei der Polizei, aber die sagen immer, sie können gar nichts machen, wenn es keine Beweise gibt.« Frau Lorenz wurde wieder vom Schluchzen geschüttelt. »Ich hab gedacht, ich halt das aus, und irgendwann hört er auf … Aber das jetzt … Also, seit ein paar Wochen … Ich hab wirklich richtig Angst vor ihm. Und Angst um Johannes! Ich
kann
ihn da doch nicht mehr hinschicken!«
     
    Herr Eckart schreckte seit einigen Wochen auch nicht mehr davor zurück, den gemeinsamen Sohn zu instrumentalisieren, um Frau Lorenz zu verletzen: Einige Tage nach Johannes’ Einschulung hatte Herr Eckart in dessen Schule angerufen und erklärt, Frau Lorenz sei psychisch krank und man dürfe Johannes auf gar keinen Fall mit ihr gehen lassen, wenn sie ihn abholen komme, weil man sie als gefährlich einschätze. Ein gerichtlicher Beschluss werde der Schule zugehen.
    Zwar ließ sich alles aufklären, aber zunächst einmal befanden sich Frau Lorenz, die Direktorin der Schule und natürlich auch der kleine Johannes in einer sehr unangenehmen Situation.
    Deshalb war Frau Lorenz nun zum Jugendamt gegangen und hatte erklärt, dass Johannes seinen Vater bis auf weiteres nicht mehr besuchen würde. Man hatte ihr daraufhin geraten, einen entsprechenden Antrag bei Gericht zu stellen, was sie auch umgehend getan hatte.
     
    »Und ich hab Johannes all die letzten Jahre zu diesem Mann gehen lassen! Ich versteh mich selbst nicht mehr. Ich hätte viel früher den Kontakt abbrechen sollen! Aber ich … Ich hab immer gedacht, dass das doch sein Sohn ist. Auf den er so stolz ist und den er doch irgendwie … liebt. Ich war so blöd! Der liebt nichts und niemanden. Nur sich. Ach, wahrscheinlich nicht mal das. Der ist einfach total zerfressen vom Hass auf mich. Weil ich es gewagt habe, ihn zu verlassen. Ich hab schon oft überlegt, einfach ins Ausland abzuhauen. Aber ich hab ja hier auch ein Leben. Ich meine … Das kann doch nicht sein, dass er alles kaputt macht.« Frau Lorenz liefen die Tränen übers Gesicht. Sie rupfte zitternd ein Taschentuch aus der Packung, die auf dem Tisch lag, und wischte sich halbherzig über die Wangen.
    »Ich hab mich all die Jahre so bemüht, sein unmögliches Verhalten mir gegenüber getrennt von unserem Sohn zu sehen. Ich wollte nie eine von den Müttern sein, die den Kindern den Vater nehmen, nur weil sie nicht mehr mit ihm zurechtkommen. Aber jetzt … Also, nicht nur, dass er sich so unmöglich mir gegenüber benimmt und ich auch Angst vor ihm habe … Ich glaube einfach nicht mehr, dass Johannes bei ihm sicher ist. Im Gegenteil.«
    Herr Eckart hatte Johannes beim letzten Besuch erzählt, seine Mutter wolle ihn eigentlich gar nicht
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