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Die Sanddornkönigin

Die Sanddornkönigin

Titel: Die Sanddornkönigin
Autoren: Sandra Lüpkes
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waren voll von irgendwelchen Gefühlen, die ihn in einen Trancezustand zu versetzen schienen.
    Einen flüchtigen Augenblick hatte Wencke Mitleid, sie überlegte, es nicht zu tun.
    »Ist was mit meiner Mutter? Ich habe gehört, sie ist hier?«
    »Wo können wir kurz unter vier Augen sprechen?« Er wies sie in das Kühlhaus.
    Auf einem riesigen silbernen Tablett vor ihr breitete sich die Silhouette der Insel aus. Schlank und schön schien sie auf einem Meer aus Früchten und geschlagener Creme zu schwimmen, Dünen aus weißem Samt erhoben sich sanft, kleine orangefarbene Häuser bevölkerten zuckersüß die Täler aus Kristall. Juist aus Eis.
    »Es ist nicht wegen Hilke, es geht ihr gut. Fokke, ich muss dich verhaften.«
    »Du musst was?« Er trat auf sie zu. Hoffentlich kommt Sanders gleich, ging es ihr durch den Kopf. Auf einmal verspürte sie Angst.
    »Wegen Mordes an Ronja Polwinski. Du bist es gewesen.«
    Fokke starrte sie an. Er unternahm keinen Versuch, sich zu rechtfertigen, er sagte keine Silbe, die ihn hätte entlasten können. Seine Hände griffen hart an ihren Hals.
    »Du kannst das jetzt nicht machen, Wencke. Jetzt nicht!«
    »Ich muss es jetzt machen. Verstehst du? Es ist mein Job, es ist meine verdammte Pflicht, den Mörder von Ronja Polwinski sofort zu verhaften. Du hattest Zeit genug, dich aus dem Staub zu machen, als ich noch dumm genug war, auf deine Spielereien hereinzufallen. Jetzt ist es aus.«
    »Ich warne dich, wenn du auch so dumm bist, dich mir in den Weg zu stellen. Ich lasse mich von dir nicht ruinieren! Von dir genauso wenig wie von Ronja!«
    »Fokke, du hast dich selbst ruiniert. Warum auch immer dir diese beschissene Kocherei das Hirn kaputtgemacht hat, jetzt ist Schluss damit.«
    Er drängte sich fest an sie, sein Atem schlug ihr ins Gesicht. Sie flehte still, dass endlich die Tür aufgehen und Sanders sie aus dieser Lage befreien würde. Doch die Tür blieb geschlossen. Fokkes Hand legte sich enger um ihre Kehle, und sie musste quälend nach Luft schnappen.
    »Du kannst mich hier nicht erwürgen«, keuchte sie, »das wäre krank, Fokke. Hör auf damit.«
    Er presste sie gegen die kalte Wand, sein Ellenbogen keilte sich schmerzhaft unter ihre Brust, dann sah sie, dass er mit der anderen Hand eine Tür hinter sich öffnete. Eiskalter Dunst quoll hervor. Mit einem gewaltigen Ruck drehte er sie um und hob sie an seinen Körper, sie stemmte sich mit beiden Beinen gegen den Türrahmen, doch er schlug mit der freien Hand gegen ihre Kniekehlen, die nachgaben. Sie schrie, doch ihr Hals war noch immer von seinen sehnigen Fingern umklammert, sie versuchte, ihn zu treten, wohin auch immer, ihre Arme fuchtelten wild herum und bekamen seine Schürze zu packen, doch sie schaffte es nicht, sich aus seiner Umklammerung zu lösen. Fast hatte er sie in den dunklen Raum geschoben, mit letzter Kraft hob sie das Knie und stieß mit ihrer Hacke fest zwischen seine Beine, er fiel ein Stück nach hinten und riss das silberne Tablett mit sich. Aus den Augenwinkeln konnte sie erkennen, wie die eisige Insel an der glatten Fläche herunterrutschte, wie die Soßen auf die Fliesen tropften, bis alles nur noch ein einziger Brei aus süßen Zutaten war.
    Die Gewalt, mit der er sie nun packte, nahm ihr jede Kraft. »Du hast es geschafft, du verfluchte Schlampe, du hast es tatsächlich geschafft.« Er riss sie hoch und warf sie durch die Tür. Sie schlug mit dem Kopf gegen eine Kante, raffte sich auf, zog sich mit einer Hand hoch, sah ihm direkt ins Gesicht. Dann schloss sich die Tür.
    Sie warf sich dagegen, versuchte mit ihren eisigen Fingern den Griff zu bewegen, doch sie konnte diesen Raum nicht verlassen.
    Es war dunkel. Und es war kalt. Es war zum Sterben kalt.
     
     
    Wo steckte Wencke Tydmers? Sanders hatte sie bereits von der Bühne aus im Publikum zu finden gesucht, doch er hatte ihren kurzen roten Haarschopf zwischen all den ondulierten, hochgesteckten und pomadisierten Frisuren nicht entdecken können. Er hätte sie jetzt gut gebrauchen können. Thore Felten war zwar ohne größere Schwierigkeiten mit ihm in den Wintergarten gegangen, doch als er hörte, worum es ging, entwickelte sich das Gespräch zu einem Desaster. Meint Britzke hatte kaum eine Chance, dem Wortgefecht zu folgen. Sein Kugelschreiber raste über den Block und beschrieb bereits das dritte Blatt Papier.
    »Hören Sie, ich hatte Sie eigentlich für einen umgänglicheren und intelligenteren Polizisten gehalten als Ihre vorlaute Kollegin, aber
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