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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission
Autoren: Joseph Wambaugh
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Männliche Person, Mexikaner, etwa 30, durchschnittene Kehle.
    Freitag, 14.30 Uhr. Border Patrol fand eine Leiche auf einem flachen Felsen in der Nähe des Spring Canyons. Weitgehend in Verwesung übergegangene männliche Person. Dienstag, zweite Schicht. Border Patrol teilt mit, das Police Department von Tijuana habe sie soeben von einem Mord in Kenntnis gesetzt, der sich auf einem behelfsmäßigen Fußballfeld im Spring Canyon ereignet habe, 1 Uhr.
    Wenn die Pollos das Glück hatten, den in den Canyons lauernden Gefahren zu entkommen, wurden sie von den mexikanisch-amerikanischen Jugendbanden von San Ysidro erwartet. Wer von denen konnte der Verlockung widerstehen? Die Pollos waren ja so zahm. So bequem:
    Mittwoch, 23 Uhr, Raubüberfall auf Ausländer, San Ysidro View Park. Opfer wurde von hinten niedergeschlagen. Erhebliche Gesichtsverletzungen. Ins Krankenhaus eingeliefert. Freitag, Raubüberfall auf Ausländer, 1 Uhr, 8 männliche Verdächtige, 17 – 20 Jahre. Bewaffnet mit Messern und Schlagstöcken. Zwei Opfer und deren Kinder ausgeraubt.
    Wenn die Pollos schließlich das Glück hatten (und ausreichend bei Kräften gewesen waren), den Gangsterbanden in den Canyons oder den Doppelverdienern unter den Polizisten von Tijuana oder den mexikanisch-amerikanischen Jugendbanden oder den Hubschraubern und vierradangetriebenen Autos der La meigra, der Einwanderungs- beziehungsweise Einwanderungsverhinderungsbehörde, zu entkommen, mußten sie oft genug die Erfahrung machen, daß ihr Grenzübertritt mit noch weiteren Risiken verbunden war:
    Samstag, dritte Schicht, Interstate 5, unter Fußgängerbrücke. Ausländer angefahren, während er über die Interstate rannte. Montag, dritte Schicht. Otay Mesa Road, Fahrzeug erfaßte und überfuhr flüchtenden Ausländer. Gebrochenes Becken. Samstag, dritte Schicht. Ein anderer Ausländer wurde auf dem Highway 805 von einem Auto erfaßt, als er über die Fahrbahn rannte. Wurde ins Bay General gebracht. Der Verletzte hat nur geringe Überlebenschancen.
    Und wenn die männlichen Ausländer es geschafft hatten, die Gangster in den Canyons und die doppelverdienenden mexikanischen Cops und die mexikanisch-amerikanischen Jugendbanden und die rasenden Autos zu überleben, lauerten zumindest auf die weiblichen Personen zwischen zehn und siebzig zusätzliche Gefahren:
    Sonntag, 23 Uhr, Hubschrauber der Border Patrol vereitelte Gruppennotzucht. Fünf verdächtige Personen. Spring Canyon.
    Und so weiter. Es gab eine Reihe von Beamten in der Polizeiverwaltung San Diegos, denen solche hinter den Statistiken stehenden Eintragungen gewaltige Kopfschmerzen machten, denn das allerletzte, was sie gebrauchen konnten, während sie die mit der Grenze zusammenhängenden Probleme zu lösen versuchten, war der Druck durch die Presse. Genau den jedoch kriegten sie. Mit schöner Regelmäßigkeit erschienen in den Zeitungen von San Diego Artikel wie dieser:
    JUNGER AUSLÄNDER DURCH VERBRECHER GELÄHMT
    SECHZEHNJÄHRIGER ERLITT STICH INS RÜCKENMARK
    SIEBTER RAUBÜBERFALL AUF AUSLÄNDER IN DIESER WOCHE
    Im Verlauf des Sommers quetschten Reporter ein Mitglied einer mexikanisch-amerikanischen Jugendbande aus San Ysidro über seinen persönlichen finsteren Anteil an den Raubüberfällen auf Ausländer aus. Im Verlauf seiner bisher erst kurzen Karriere hatte er zahllose Opfer niedergeschlagen und ausgeraubt und fünfzehn Ausländerfrauen vergewaltigt, eine für jedes Lebensjahr.
    Im Hochsommer 1976 raffte sich der Bürgermeister von Tijuana mit Ach und Krach zu einer Stellungnahme über seine Polizeibeamten auf, die auf amerikanischem Boden Grenzgänger aus dem Hinterhalt zu überfallen pflegten. Ein Sprecher von Bürgermeister Fernando Marquez Arce erklärte amerikanischen Reportern: »Wir sind sicher, daß es sich dabei um Gangster handelt, die sich als Beamte der Polizei von Tijuana ausgeben, und nicht um Mitglieder unseres Departments. Es gibt Geschäfte in Tijuana, wo man Uniformen, die denen der Polizei sehr ähnlich sind, kaufen kann, und wir sind sicher, daß es Leute gibt, die sie tatsächlich kaufen und darin als Polizeibeamte auftreten.«
    Gegen Ende des Sommers schließlich wandte sich der mexikanische Präsident Luis Echeverria Alvarez wegen des Schicksals der Pollos, die an der US-Grenze ausgeraubt, niedergeschlagen, vergewaltigt und ermordet wurden, an die amerikanische Regierung.
    Er sagte: »Auch diese Leute haben einen Anspruch auf die Achtung, die menschlichen Wesen innerhalb jeder
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