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Die San-Diego-Mission

Die San-Diego-Mission

Titel: Die San-Diego-Mission
Autoren: Joseph Wambaugh
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ledernen Farmerhände griffen breit über die Tasten seiner Orgel. Wenn er aufschaute, sah er auf eine Gedenktafel an der Wand.
    Es war eine recht bescheidene Tafel, und sie war ihm keineswegs im Rahmen einer formellen Zeremonie übergeben worden, und sie stammte auch gewiß nicht offiziell vom Police Department. Eine Gruppe von jungen Männern hatte sie ihm geschenkt, und ein paar von ihnen waren ungefähr zur selben Zeit geboren worden wie das Kind, das er vor so langer, langer Zeit verloren hatte.
    »Es ist die eiinzige«, sagte er in seinem gewohnten amerikanischen Countrysingsang. »Es gibt wirklich nuur diieses eine Exemplar.«
    Auf der Tafel stand:
    Lt. Snider,
    dem verantwortlichen Mann
    für die Gründung und Existenz
    der
    Border Crime Task Force.
    Danke für immer.
    B. A. R. F.
    Es war wahr und wahrhaftig der einzige Gegenstand von einigem Wert, der ihm von seinem Experiment geblieben war.

 

    EPILOG
    Chano B. Gomez junior
    J eder, der über diese ganzen Jahre hinweg mit den BARF-Leuten in Kontakt geblieben war, sprach zwar davon, daß sie alle das grundsätzliche Gefühl hatten, betrogen worden zu sein, meinte jedoch auch, daß niemand imstande sei, den Betrüger mit hinreichender Sicherheit beim Namen zu nennen.
    Als längst Gras über die Sache gewachsen war, wollte einer der Ex-Barfer den Dingen doch mal auf den Grund gehen. Er erklärte ohne Umschweife, er könne einiges, was auf den Streifzügen durch die Canyons passiert sei, nach wie vor nicht gutheißen. Seit es mit Mexiko noch schlimmer geworden sei, kämen überdies mehr Grenzgänger als je zuvor. 1983 seien im Verlauf eines einzigen Monats im Chula-Vista-Bereich allein annähernd fünftausend Festnahmen zu verzeichnen gewesen. Und angesichts dessen, daß sich die Raubüberfälle, Vergewaltigungen und Morde derzeit vermehrten wie normalerweise Chollakakteen im regenreichen Winter, spüre er die Sinnlosigkeit des Ganzen besonders deutlich.
    Die letzte Frage war, was hatten sie eigentlich davon gehabt? Was war aus ihrer Sicht die Sache wert gewesen? Der Ex-Barfer dachte länger darüber nach und flüchtete sich schließlich in einen gewissen Zynismus, wenngleich in seinem Gesicht immer noch die große Enttäuschung stand. Seine Antwort war im Grunde eine Frage. Mit seinem allertraurigsten Lächeln fragte er: »Vielleicht ein paar gute Ficks?«
    Vielleicht war ja der Mann, der von seinem Logenplatz auf dem oberen Fußballfeld aus das chaotische Experiment in den Canyons am besten beobachten konnte, auch derjenige, der es zu guter Letzt am besten kapiert hatte: der alte Chano B. Gomez junior persönlich. Vielleicht muß man auf einen Maiskuchenverkäufer zurückgreifen, um hinter den letzten Sinn der Sache zu kommen und alles zu kapieren, all die vielen guten Absichten, alle Mythen und Legenden, alles Gute und Böse hinter den Mythen und Legenden.
    Was die Barfer betrifft, so erfüllten diese Kinder aus der Arbeiterklasse ihre Mission ehrlich und tapfer und loyal, wie auch immer sie sie verstanden. Vielleicht hatte am Ende jeder seine eigene Vorstellung, was diese schier unglaubliche Mission letzten Endes bewirken sollte, obgleich sie nicht einmal genau wußten, wer sie in Auftrag gegeben hatte, oder ob überhaupt einer sie in Auftrag gegeben hatte. Es ging, könnte man sagen, gewissermaßen darum, ein Völkerwanderungs- und Ausbeutungsproblem dramatisch darzustellen und auf eine Art von öffentlicher Bühne zu bringen, ein Dilemma, das derartig gewaltig war, daß zwei Regierungen, ja zwei Wirtschaftssysteme an seiner Lösung verzweifelten.
    Es wäre eine seltsame Ironie des Schicksals, wenn sich eines Tages herausstellen sollte, daß der kleine Maiskuchenverkäufer mit dem Ziegenbart und den Rumbarasseln, die wie Klapperschlangen zischten, eben diese Rumbarasseln gar nicht für die Pollos geschüttelt hätte. Es wäre wirklich der Gipfel der Ironie, wenn diese zischenden Rumbakugeln – Cha cha, cha cha cha! – gar nicht dazu da gewesen wären, die Pollos zu warnen, sondern sie, die Barfer.
    Vielleicht muß man sich ja tatsächlich eines Außenstehenden wie Chano B. Gomez junior bedienen, um zu begreifen, wie typisch amerikanisch es war, zehn junge Männer in ein gigantisches internationales Dilemma zu werfen und ihnen unausgesprochen den Auftrag zu geben, es zu dramatisieren. Und alle, die gewissermaßen hoch oben auf einem Felsen thronten, erlebten draußen in dem natürlichen Amphitheater des Deadman's Canyons eine hervorragende Show.
    Sie
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