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Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers

Titel: Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
Autoren: Monika Felten
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Wärme. Doch der Staub auf dem aufgeschichteten Holz in der Feuerstelle zeugte davon, dass er schon lange nicht mehr benutzt worden war. Der einzige Blickfang war ein großes Wandgemälde, welches sich über die gesamte Stirnseite des Raums erstreckte. Es zeigte zehn runde Hütten unterschiedlicher Größe, die auf einer von hohen Bäumen gesäumten Lichtung inmitten eines dichten grünen Waldes standen. Kiany trat neugierig näher, um das Bild zu betrachten.
    Die kleineren Hütten waren kreisförmig um ein ebenfalls rundes großes Gebäude errichtet und steinerne Wege führten von jeder Hütte dorthin. Wer immer dieses Bild geschaffen hatte, hatte mit viel Liebe fürs Detail gearbeitet, denn selbst die verschiedenen Kräuter, die in den Gärten hinter den Hütten wuchsen, waren so naturgetreu abgebildet, dass Kiany sie mühelos bestimmen konnte.
    In stummer Bewunderung für den Künstler trat sie einen Schritt zurück, um die verschlungenen Buchstaben zu entziffern, die in einem sanften Bogen über dem Bild zu lesen waren.
    »In-Gwana-Thse.« Leise formten ihre Lippen den Namen der in den Wäldern von Daran verborgenen alten Heimstätte der Priesterinnen, die ihnen während der Herrschaft An-Rukhbars als geheimer Zufluchtsort gedient hatte. Kiany schluckte ehrfürchtig. So hatte sie also ausgesehen, die Tempelstadt, in der die Auserwählte Sunnivah ihre Kindheit verbracht hatte. Bei dem Gedanken lief Kiany ein wohliger Schauer über den Rücken. Sie hatte schon viel über In-Gwana-Thse gehört, aber den Ort so zum Greifen nahe vor sich zu sehen, war etwas ganz anderes. Plötzlich hatte sie das Gefühl, als trenne sie nur noch ein winziger Schritt von der sagenhaften alten Heimstatt, und glaubte sogar das Rauschen des Windes und den Gesang der Vögel zu hören. Es hätte Kiany nicht einmal gewundert, wenn sich eine der niedrigen Türen, die in die Gärten führten, geöffnet hätte und eine Priesterin herausgetreten wäre. Ja, sie hörte sogar, wie ein Türknauf sich drehte, und dann das schleifende Geräusch der Tür auf dem Boden ...
    »Ehrwürdige Mutter!«
    Das war Banors Stimme. Erschrocken fuhr Kiany herum. Sie hatte sich nicht getäuscht, doch die Tür, die sich soeben geöffnet hatte, war kein Teil des Wandgemäldes, sondern die Tür des Empfangszimmers.
    »Ehrwürdige Mutter.« Kiany hustete verlegen und beeilte sich, es Banor gleichzutun, indem sie die Priesterinnenmutter mit gesenktem Haupt begrüßte.
    »Seid willkommen.« Die Priesterinnenmutter reichte zunächst Banor und dann Kiany die Hand.
    Sie war eine hoch gewachsene Frau, die, ihren grauen Haaren nach zu urteilen, schon mehr als fünfzig Sommer gesehen haben mochte. Trotzdem war sie noch immer schlank und das lange Haar, das sie im Nacken zu einem dicken Zopf geflochten hatte, machte sie jünger, als sie wohl war. Zu Kianys großer Verwunderung trug sie das gleiche schlichte graue Arbeitsgewand wie die anderen Priesterinnen. Ihr Lächeln war warm und jugendlich, als sie sich an Kiany wandte. »Dir gefällt das Bild?«, fragte sie. Kiany schaute beschämt zu Boden, weil ihr plötzlich bewusst wurde, dass sie die Priesterinnenmutter die ganze Zeit angestarrt hatte. »Es ist wunderschön«, murmelte sie verlegen.
    »Ja, und das war es wohl auch.« Mit einem leisen, fast wehmütigen Seufzer trat die Priesterinnenmutter vor das Bild. »Ein Ort des Friedens und der Freiheit in schrecklichen und grausamen Zeiten.« Sie machte eine kurze Pause und sagte dann: »Vor vielen Sommern habe ich den Ort einmal besucht, doch der Wald hat die Lichtung längst zurückerobert. Nichts erinnert dort an unsere einstige Zuflucht. «
    »Oh, das tut mir Leid!« Die Worte entflohen Kianys Lippen, ohne dass sie weiter darüber nachgedacht hatte, und sie hob hastig die Hand vor den Mund. Doch die Priesterinnenmutter schien es ihr nicht übel zu nehmen, dass sie unaufgefordert gesprochen hatte. Sie lächelte nur verständnisvoll und meinte: »Ja, so ist der Lauf der Zeit. Hier in Nimrod haben wir eine neue Heimat gefunden, und das ist gut so. Und genauso richtig ist es, dass sich der Wald zurückholt, was wir ihm damals abgerungen haben. In-Gwana-Thse ist vergangen, aber wir sind glücklich darüber, dass der Künstler seine einstige Schönheit auf diesem Bild erhalten hat. So können wir uns immer daran erinnern.« Sie wandte sich um und deutete auf die Stühle. »Ich habe euch bereits erwartet. Der Bote mit der Nachricht des Ältestenrates erreichte uns schon vor zehn
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