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Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht

Titel: Die Saga vom Eisvolk 04 - Sehnsucht
Autoren: Margit Sandemo
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können wir sie ja.«
    Sie liefen zu dem Mädchen hin und blieben wenige Meter davor stehen. Yrja scharrte fieberhaft mit ihrer Schuhspitze in der Erde. »Hei«, sagte Tarald. »Wie heißt du?« Sie flüsterte etwas, ohne den Kopf zu heben.
    »Was hast du gesagt?« fragte Cecilie und trat näher heran. Das Mädchen schluckte. Sie verbarg ihr Gesicht in den Händen. »Yrja«, brachte sie schließlich hervor. »Yrja? Hast du Yrja gesagt?«
    Sie nickte, traute sich nicht, die drei anzusehen.
    »Yrja?« wiederholte Sunniva. »So heißt doch kein Mensch!« Es schien, als wäre das Mädchen am liebsten im Boden versunken.
    »Was weißt du denn davon!« fauchte Cecilie Sunniva an. »Oder kennst du etwa alle Namen auf der Welt?!« »Willst du mit uns spielen?« fragte Tarald, und Yrja sah ihn an und wäre in diesem Moment mit Freuden für ihn gestorben, wenn es nötig gewesen wäre.
    Dann schlug sie wieder ihre Augen nieder, außerstande etwas zu sagen.
    »Wir fragen deinen Vater«, entschied Cecilie. »Das ist doch der Eikeby-Bauer, oder nicht?«
    Yrja nickte heftig. Vater wird natürlich nein sagen, dachte sie. Aber sie haben immerhin gefragt. Sie haben mich gefragt!
    Als die drei zur Scheunenbrücke davonliefen, die Yrjas Vater gerade reparierte, wagte sie endlich, den Kindern nachzuschauen.
    Der Junge war stattlich, mit dunkelbraunen Haaren und Augenbrauen, die aussahen wie… wie fliegende Möwen, dachte sie, so geschwungen waren die. Das eine Mädchen war ebenso anmutig und zart wie eine Porzellanvase, die Yrja einmal gesehen hatte. Und das andere Mädchen, das kleinste, war ein richtiges Energiebündel; sie hatte jetzt schon, obwohl es noch so früh am Tage war, ihr feines Kleidchen über und über beschmutzt.
    Jetzt umringten sie voller Eifer ihren Vater dort drüben. Er sah unwillig aus.
    Im selben Moment kam eine Dame den Weg zum Gut hinauf. Eine feine, liebliche Dame. Yrja erkannte sie wieder. Das war die Herrin von Lindenallee. Die drei Kinder stürmten ihr entgegen.
    »Großmutter, Großmutter, kann Yrja bitte mit uns spielen? Sagt doch ihrem Vater, daß sie darf? Er will es nicht erlauben!«
    Silje blickte lachend auf sie hinab. »Aber natürlich darf sie! Ich werde gleich mit ihm reden. Ja, aber ist das nicht das kleine Mädchen, das… Doch, das ist sie!«
    Sie winkte den Eikeby-Bauern zu sich heran, und gemeinsam gingen sie zu dem Kind, das an den Baum gebunden war. »Jetzt hört gut zu, Kinder«, sagte Silje. »Die kleine Yrja hier wurde am Tag nach dir geboren, Tarald. Tengel, mein Mann, hat euch beiden fast gleichzeitig auf die Welt geholfen. Den ganzen Tag und die ganze Nacht ist er zwischen Eikeby und Grästensholm hin und her geritten. Ihr seid etwa sieben Stunden auseinander. Und du, Sunniva, du bist fünf Tage nach den beiden gekommen.«
    »Und ich?« maulte die aufgeweckte Cecilie. »Gehöre ich gar nicht dazu? Sind nur die anderen etwas Besonderes?« »Du?« lachte Silje. »Du bist erst fünf Jahre alt, das weißt du ganz genau. Seit Tagen erinnerst du mich jetzt schon an deinen Geburtstag. Aber ein Jahr Unterschied ist nicht viel. Und es gibt noch mehr, das dich mit ihnen verbindet. Du, Cecilie, bist ein genaues Abbild von Sunnivas Mutter Sol. Aber sie war dunkler und - entschuldige, daß ich das sage - ein wenig hübscher. Sie war das hübscheste Mädchen, das mir jemals unter die Augen gekommen ist.«
    Tarald nickte. »Ich habe ein Bild von ihr gesehen, auf Lindenallee.«
    »Ach, das wird ihr längst nicht gerecht«, sagte Silje, die wußte, wie sehr Sunniva die Gewißheit brauchte, daß sie eine einzigartige Mutter gehabt hatte. »Sol sprühte nur so vor Leben, daß es einem den Atem verschlagen konnte.« »Sol war meine Mutter«, sagte Sunniva stolz. »Aber bin ich denn nicht ebenso schön, wie sie es gewesen ist?« Silje blickte sie an. »Du siehst ihr gar nicht ähnlich, denn du bist blond und blauäugig und zart wie ein Schmetterling. Aber du hast auch deine Vorzüge, und das weißt du ganz genau.«
    Keines der Kinder kannte die schreckliche Geschichte von Sols Schicksal. Wie sie als Hexe verbrannt werden sollte, nachdem sie Sunnivas Vater, Heming Vogtmörder, mit einer Heugabel getötet hatte. Und daß Tengel ihr in der letzten Nacht Gift gegeben hatte, damit sie den schrecklichen Qualen auf dem Scheiterhaufen entging. Sie wußten nur, daß sie kurz nach Sunnivas Geburt gestorben war.
    Sunniva hatte nach ihrem Vater gefragt, aber man hatte ihr nur gesagt, daß er tot war, und daß sie ihm
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